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Walther von der Vogelweide (* um 1170, Geburtsort unbekannt; † um 1230, möglicherweise in Würzburg) gilt als der bedeutendste deutschsprachige Lyriker des Mittelalters. Er dichtete in mittelhochdeutscher Sprache.
Trotz seiner Berühmtheit findet sich Walthers Name nicht in zeitgenössischen Aufzeichnungen außerhalb der Nennungen bei Dichterkollegen. Die einzige Ausnahme bildet die vereinzelte Erwähnung bei den Reisekosten des Passauer Bischofs Wolfger von Erla für den 12. November 1203, in Zeiselmauer (zwischen Tulln und Klosterneuburg): Walthero cantori de Vogelweide pro pellicio v solidos longos („Walther, dem Sänger aus Vogelweide, für einen Pelzmantel fünf Schilling“, wörtlich „lange Solidi“). Kleriker aus der Umgebung des Bischofs erhielten in diesen Tagen (Anfang November) Pelzmäntel um etwa denselben Wert oder knapp darunter. Das zeigt, dass Walther sich etwa so gut kleiden durfte wie die engeren Mitarbeiter („Beamte“) des Bischofs, und veranschaulicht so seine soziale Stellung.
Daneben stammen alle Informationen über Walthers Leben aus seinen eigenen Liedern und aus Erwähnungen bei zeitgenössischen Dichtern. Positiv erwähnt wird Walther von:
Negativ wird Walther beurteilt von:
Negative Kritik wird in der Literatur meist nicht durch eine namentliche Nennung, sondern nur durch eine Anspielung auf den Gegner gebracht, die ein gebildetes Publikum erkennen lässt, wer gemeint ist. Man weiß heute oft nicht genug, um einen persönlichen Angriff eindeutig identifizieren zu können. Deshalb wird zum Teil bezweifelt, dass sich einige Attacken Reinmars von Hagenau und Neidharts von Reuental gegen Walther richten. Die meisten Forscher halten aber neben der literarischen Fehde Walthers mit Reinmar auch die zwischen ihm und Neidhart für nachweisbar.
Wenig Wert haben spätere Erwähnungen wie in der Klage Reinmar von Brennenbergs über das Dahinscheiden der großen alten Sänger (Wol mich des tages). Nicht sicher beurteilbar ist die Glaubwürdigkeit der Angaben Michaels de Leone über Walthers Grab.
Walther wurde von anderen Dichtern Herr genannt, was aber nicht beweist, dass er adliger Abstammung war. Die Herkunftsangabe Vogelweide weist jedenfalls darauf hin, dass er nicht zum höheren Adel, der seine Namen von Burgen oder Dörfern nahm, sondern bestenfalls zum unfreien Dienstadel der Ministerialen gehörte. Gegen adlige Herkunft spricht weiterhin, dass Walther nie als Zeuge auf Urkunden auftritt, also anscheinend nicht als zeugenfähig galt.
Von Walther sind 500 Strophen in über 110 Tönen bzw. – inhaltlich gruppiert – 90 Lieder (Minnelieder) und 150 Sangsprüche überliefert; außerdem ein religiöser Leich (der, je nachdem welche Fassung man der Interpretation zugrunde legt, ein Dreifaltigkeits- oder ein Marienleich ist). Walthers Werküberlieferung ist damit neben der Neidharts und Frauenlobs die umfangreichste des deutschen Mittelalters.
Schon im 13. Jahrhundert gehörte er zu den allerersten Vorbildern, später zu den zwölf alten Meistern der Meistersinger. Die erste moderne Ausgabe seiner Werke stammt von Karl Lachmann (1827). Verweise auf Walthers Gedichte erfolgen immer auf Seite und Zeile dieser Ausgabe; neuere Ausgaben beziehen sich darauf.
Die bei weitem umfangreichste Sammlung von Walthers Gedichten befindet sich in der so genannten „Großen Heidelberger Liederhandschrift“, einer Prachthandschrift, die um 1300 (von manchen etwas später datiert) verfertigt wurde; möglicherweise für den Zürcher Bürger und Ratsherrn Rüdiger Manesse. In den kritischen Ausgaben wird sie immer mit der Sigle C bezeichnet.
Sie enthält Gedichte von über 100 Autoren des 12. und 13. Jahrhunderts; mehrere Schreiber haben an ihr gearbeitet. In ihr befindet sich auch das berühmte Bild Walthers, das dem ‚ersten Reichsspruch‘ nachempfunden ist: Walther, wie er (traurig bzw. melancholisch) ûf eime steine sitzt (ein ähnliches, aber nicht so sorgfältig ausgeführtes Bild findet sich in B). Sie enthält 440 Strophen Walthers und den Leich. C hat für Walther mehrere kleinere, inzwischen verlorene ältere schriftliche Liedersammlungen benutzt; darunter sowohl solche, die auch A benutzt hat, als auch eine, die auch B benutzt hat, als auch eine, die auch E benutzt hat, sowie manches aus verstreuter Einzelüberlieferung. Stellenweise hat C Platz gelassen für Nachträge einzelner Strophen oder Lieder, die man noch zu erhalten hoffte; manche Nachträge erfolgten dann tatsächlich, manche Lücken blieben leer. Anscheinend wollte C alles sammeln, was man um 1300 an Werken Walthers noch kannte.
Trotz dieses Sammeleifers ist C nicht ganz zuverlässig: ‚unbedeutende‘ Wörter, die anscheinend für den Sinn nicht wesentlich sind, sind oft durch andere ersetzt. Ein ‚nun‘ oder ‚da‘ mehr oder weniger in einer Zeile oder ein ‚schön‘ statt ‚gut‘ oder umgekehrt war bei mündlichem Vortrag der Lieder durch Sänger schon zur Zeit Walthers nicht konstant zu halten, und in die Sammelhandschriften scheinen altbekannte Strophen oft nicht so gekommen zu sein, wie der jeweilige Schreiber sie auf der schriftlichen Vorlage vor sich liegen, sondern wie er sie in seiner Erinnerung hatte.
Weitere wichtige Handschriften, die Strophen Walthers enthalten, sind:
Das meiste weiß man über Walther aus seinen Werken. Fragen zu seiner Biographie sind vor allem dann wichtig, wenn sie die Dichtungen verstehen helfen. Dazu gehören nicht die Diskussionen, wo Walther geboren wurde oder wo er begraben liegt. Lokalpatrioten interessieren sich dennoch dafür, um Walther vielleicht in ihrer Heimat ansiedeln zu können.
Das „Ich“ einer Dichtung ist sehr oft nicht mit dem Dichter identisch. In der Lyrik wird dieses „Ich“ meist als „lyrisches Ich“ bezeichnet, wenn es sich um Stimmungslyrik, beispielsweise Liebeslyrik, handelt. Es berichtet dem Publikum von einem Liebeserlebnis. Wenn eine erzählende (kurzepische) Haltung vorwiegt, spricht man vom Sänger. Jedenfalls ist es eine fiktive literarische Figur, keine autobiographische Äußerung des Dichters.
In politischer Dichtung und Auseinandersetzungen mit literarischen und sonstigen Feinden des Autors hat das ‚Ich‘ große autobiographische Anteile, ist aber trotzdem literarisch stilisiert. Für heutige Leser ist noch schwerer erkennbar als für die Zeitgenossen, wo die Grenzen zwischen autobiographischen Anteilen und Fiktion liegen. Da es außer den oben genannten und seinen eigenen Gedichten keine Quellen über Walther gibt, hat das Walther-Bild notgedrungen unhistorische Anteile. Trotzdem besitzt dieses „poetische“ Walther-Bild einigen Wert, weil es das moderne Verständnis seiner Dichtungen nachzeichnet.
Insbesondere die Chronologie der Werke steht nur dort auf sicherem Boden, wo politische Ereignisse eindeutig angesprochen werden (zum Beispiel die Krönung oder der Tod eines bestimmten Fürsten; identifizierbare Reichstage). Lieder, die die Stimmung eines alten Mannes wiedergeben, reiht man üblicherweise unter Walthers Altersdichtung ein, obwohl auch ein jüngerer Dichter in die „Maske“ eines alten Mannes schlüpfen könnte usw. Eine derartige Aussage ist als – wertvolle – Aussage über die Stimmung, die das Lied im Publikum erweckt, zu verstehen; kaum ist sie Hilfsmittel zu absoluter Datierung. Allerdings zeigt die datierbare politische Altersdichtung Walthers einige Stilzüge, die auch in nicht datierbaren Liedern auftreten, die man gerne seiner Altersdichtung zuordnen würde, so dass vieles der unten gewählten zeitlichen Strukturierung auch der Minnelyrik zwar unbeweisbar und im Detail umstritten, aber nicht unsinnig ist.
Aussagen in Walthers Gedichten, aus denen Rückschlüsse auf seine Biographie gezogen werden dürfen, sind: Zu seiner Jugendzeit äußert er sich im Alter mit: ze Ôsterrîche lernt ich singen unde sagen. Bis zum Tod des Babenbergers Herzog Friedrich I. von Österreich (Frühjahr 1198) wirkte er an dessen Hof in Wien. Es scheint ein glücklicher Lebensabschnitt gewesen zu sein.
Danach erhielt er ein ehrenvolles Engagement am Hof des staufischen Thronkandidaten Philipp von Schwaben und machte wirkungsvolle Propaganda für ihn bzw. gegen den welfischen Gegenkandidaten Otto (den späteren Otto IV.). Ungefähr zur Zeit von Philipps Krönung (September 1198 in Mainz) entstanden Sprüche, die auf die Krönung Bezug nehmen, ebenso vermutlich zwei seiner drei Reichssprüche (Lachmann 8,4 ff.), deren erster (ich saz ûf eime steine) als Vorlage für das Walther-Bild der Weingartner und der Manesseschen Liederhandschrift diente. Walther besang auch das Weihnachtsfest, das Philipp 1199 in Magdeburg beging. Schon im Spießbratenspruch (Lachmann 17,11), der auf Ereignisse in Griechenland von (wahrscheinlich) Mai 1204 (Königreich Thessaloniki während des Vierten Kreuzzugs) Bezug nimmt, wird jedoch Kritik an Philipp greifbar, was ihm dieser, nach einer Bemerkung Wolframs im Willehalm zu schließen, anscheinend übel nahm.
Schon zuvor war Walther nicht ständig im Gefolge Philipps gewesen. 1200 verfasste er anlässlich der Schwertleite Herzog Leopolds VI., des Nachfolgers Friedrichs I., ein Huldigungsgedicht. Er war also (zumindest für kurze Zeit) nach Wien zurückgekehrt. In seinem Preislied, das um diese Zeit entstanden sein könnte, weist er darauf hin, dass er schon weite Teile Europas bereist hat. Er scheint also an verschiedenen Höfen meist kurzfristige Engagements erhalten zu haben.
Am meisten weiß man über den Verlauf seines Aufenthalts am Hof von Landgraf Hermann I. von Thüringen. Dieser Aufenthalt spiegelt sich nicht nur in Sprüchen Walthers, sondern auch in ironischen Bemerkungen Wolframs von Eschenbach über Walther, sowohl im Parzival als auch im Willehalm: Wolfram verfasste große Teile seiner beiden Romane für Hermann von Thüringen und lernte daher Walther persönlich kennen. Walther scheint in Thüringen auf Schwierigkeiten gestoßen und unfähig gewesen zu sein, sich in die thüringische Hofgesellschaft zu integrieren. Er beklagt sich über den Lärm betrunkener Ritter, die am Vortrag von Lyrik nicht interessiert seien.
Außerdem verlor er trotz Appells an den Landgrafen einen Rechtsstreit gegen einen Gerhard Atze aus Eisenach, der ein Pferd Walthers erschossen hatte, vielleicht in der irrigen Meinung, dieses sei das Pferd gewesen, das ihm einen Finger abgebissen hatte. Den genauen Tathergang kennt man allerdings nicht, denn die Darstellung in Walthers Atze-Sprüchen – „Atze behauptet, mein Pferd sei mit dem Gaul, der ihm den Finger abbiss, verwandt gewesen; ich schwöre, dass die beiden Pferde einander nicht einmal kannten“ – ist satirisch. Walther forderte darin finanzielle Entschädigung für das Pferd, erhielt sie aber nicht.
Weiters bezeugen Walthers eigene Aussagen Bindungen an folgende Fürsten:
Man vermutet auch Beziehungen zu Herzog Ludwig I. von Bayern, und zu einem Grafen von Bogen. In all diesen Fällen handelt es sich um Einzelpersonen. Eine Ausnahme ist der Hof zu Wien, dieser wird auch kollektiv als der wünneclîche hof ze Wiene (der wonnige Hof zu Wien) als Hofgesellschaft (und nicht nur in der Person des Herzogs) angesprochen.
Spätestens nach der Ermordung König Philipps (1208) scheint sich Walther dem Welfen Otto IV. angeschlossen zu haben, der 1209 von Papst Innozenz III. zum Kaiser gekrönt wurde. Das bedeutendste dichterische Zeugnis der Verbindung mit Otto sind die drei „Herr Kaiser“-Sprüche im Ottenton anlässlich des Frankfurter Reichstages von 1212. Walther schalt den Geiz Ottos; dadurch wurde das Verhältnis beendet. Dies markiert den Übergang Walthers zu dessen Gegner, dem Staufer Friedrich II. Obwohl Friedrich schon am 9. Dezember 1212 auf Betreiben des Papstes in Mainz ebenfalls zum deutschen König gewählt wurde, scheint Walther sich erst später von Otto ab- und Friedrich II. zugewandt zu haben. Trotzdem zeigte sich Friedrich für Walthers propagandistischen Einsatz erkenntlich.
Erst von Friedrich, aber noch vor dessen Kaiserkrönung (1220) erhielt Walther ein Lehen, das ihn vom Zwang befreite, kurzfristig wechselnde Engagements suchen und das Leben eines fahrenden Sängers führen zu müssen (Lachmann 28,31; „jetzt fürchte ich nicht mehr den Februar an den Zehen“). Walther sagt nicht, wo sich das Lehen befand, und ob es sich dabei überhaupt um die Vergabe von Land oder vielleicht ein nicht mit Landbesitz verbundenes, sogenanntes 'Zinslehen' handelte.
Man hält es für möglich, dass das Lehen in oder um Würzburg gewesen sein könnte, weil der Würzburger Michael de Leone, der Verfasser des sogenannten Hausbuch des Michael de Leone, um 1350 berichtet, Walthers Grab sei in Würzburg in der Neumünsterkirche, und dabei eine Grabinschrift mitteilt, die er dort gesehen haben will. Ob diese Nachricht vertrauenerweckend ist, oder Michael de Leone in seinem Lokalpatriotismus nur aus dem Vorkommen eines Vogelweidhofes in Würzburg erschlossen hat, dass Walther hier gelebt haben müsse, und den Rest, einschließlich Grabinschrift, erfunden hat, ist umstritten.
Das Lehen gab Walther endlich das Heim und die feste Position, die er sich sein Leben lang gewünscht hatte. Er beklagte sich jedoch darüber, dass es nur einen geringen Wert hatte; allerdings nicht in Form eines Vorwurfs gegen Friedrich, sondern als Abwehr der Forderungen von pfaffen, davon Abgaben an den Klerus zu leisten (Lachmann 27,7). Dass Friedrich ihm darüber hinaus noch mehr Wohlwollen erzeigte, indem er ihn zum Lehrer seines Sohns (des späteren Königs Heinrich [VII.]) machte, darf bezweifelt werden, da diese Vermutung auf einem Gedicht beruht, das auch anders interpretiert werden kann.
Zwischendurch war Walther bei verschiedenen Anlässen wieder in Wien; eine Strophe bezieht sich auf die Rückkehr Leopolds VI. von einem „heiligen“ Kriegszug; das kann der Albigenserkreuzzug in Südwestfrankreich (1212) oder, wahrscheinlicher, der Kreuzzug von Damiette von 1217 bis 1219 gewesen sein. Auf einem Nürnberger Reichstag (vielleicht dem von 1224) scheint Walther im Gefolge Leopolds gewesen zu sein. 1225 betrauert er die Ermordung Erzbischof Engelberts von Köln.
Das letzte datierbare Lied Walthers, die so genannte Elegie, enthält einen Aufruf an die Ritterschaft, am Kreuzzug Friedrichs II. von 1228/1229 teilzunehmen, der vom Herbst 1227 stammen muss. Walther wird daher bald danach gestorben sein (vermutlich spätestens 1230, weil er sonst wohl ein Lied über die Erfolge dieses Kreuzzuges gedichtet hätte) und wurde, falls wir der Angabe Michaels de Leone vertrauen, in Würzburg begraben.
Ein Hauptthema von Walthers politischer Dichtung ist die Reichspolitik, die seit der Beilegung des Investiturstreites durch das Wormser Konkordat immer noch durch Auseinandersetzungen zwischen dem jeweiligen Kaiser und Papst gekennzeichnet war. Auffällig ist, dass er in allen Streitfragen, vom Streit zwischen Philipp und Otto um die Krone ab 1198 bis zum Kreuzzugsappell vom Herbst 1227, meist auf der anderen Seite stand als der jeweilige Papst. Scharfe Aussprüche gegen den Papst trug er zunächst gegen Innozenz III. (1198–1216) im 2. Reichsspruch vor (wahrscheinlich auf Ereignisse von 1201 während des Kampfes zwischen Philipp und Otto Bezug nehmend).
Unter Otto polemisierte er im Unmutston gegen die Kollekte von Geldern durch Innozenz III.: Diese seien nicht, wie angegeben, für einen Kreuzzug bestimmt, sondern würden bestimmungswidrig zum Ausbau des Laterans (zur Vorbereitung der Lateransynode von 1215) verwendet werden. Im Kreuzzugsappell vom Herbst 1227 betonte Walther, dass der Kreuzzug eine Sache der Ritter sei und der Kaiser der Anführer des Kreuzzuges. Das bezieht sich darauf, dass Friedrich II. von sich aus den Termin zum Aufbruch neu festsetzte, weil eine Seuche das Kreuzfahrerheer beim ersten Aufbruchsversuch dezimiert hatte und Friedrich selbst daran schwer erkrankt war, während Papst Gregor IX. (1227–1241) die Oberhoheit des Papstes über den Kaiser durchsetzen wollte und Friedrich deswegen bannte: Gregor forderte, dass der Kreuzzug vom Kaiser im Auftrag des Papstes durchzuführen sei und daher auch der Aufbruchstermin vom Papst bestimmt werden müsse.
Walther blieb bis ans Ende seiner Tage ein erbitterter Gegner der Forderung der Päpste, dass der Kaiser sich dem Papst zu unterstellen habe. In seinen religiösen Gedichten zeigt sich die auch sonst unter den deutschen Dichtern dieser Zeit häufige Haltung, dass für das Wohlergehen der Christenheit vor allem die richterliche Funktion des Königs und die kriegerische Leistung des Rittertums maßgeblich seien, und sie in diesen Dingen daher nicht dem Papst unterstellt seien. Die Meinung, dass unter den Ständen der Kirche der Laienstand dem Klerus nicht untergeordnet sei und der Klerus keine besonderen Vorrechte besitze, kommt etwa auch in den Werken Wolframs von Eschenbach deutlich zum Ausdruck.
Ein anderes mehrfach wiederkehrendes Thema ist die Schelte geiziger Gönner, die Walther nicht entsprechend seinem Wert entlohnten. Besonders scharf fielen seine Spottstrophen gegen Markgraf Dietrich von Meißen, Kaiser Otto IV. und Herzog Bernhard von Kärnten aus. Es ist nicht feststellbar, ob in allen diesen Fällen wirklich das zu geringe Honorar Ursache für den Bruch war oder in einigen Fällen nur stellvertretend für einen politisch motivierten Bruch stand.
Anders als bei der politischen Dichtung ist es unmöglich, Walthers Minnesang der Zeit nach zu ordnen, denn diese Lieder spielen nicht auf historische Ereignisse an. Bei einigen Liedern vermutet man allerdings, dass sie aus Walthers Jugend stammen, weil sie noch nicht die volle Meisterschaft zeigen und sich an anderen Minnesängern orientieren. Unter ihnen überwiegen Lieder der „Hohen Minne“ im Stil Reinmars von Hagenau.
Eines von Reinmars Liedern, das einzige lokalisierbare Lied Reinmars, ist nachweisbar 1195 für den Wiener Hof entstanden; viele vermuten daher, dass Reinmar zur Zeit von Walthers Jugend in Wien (etwa 1190 bis 1198) als Hofdichter engagiert gewesen sein könnte, und Walther sein Schüler gewesen sei. Die Annahme eines länger dauernden Lehrer-Schüler-Verhältnisses in Wien ist dafür allerdings nicht nötig.
Später trug Walther mit Reinmar eine scharfe Fehde aus, die sich noch in Walthers Nachruf auf den Tod Reinmars spiegelt, obwohl Walther dort die künstlerische Leistung des Konkurrenten bewundert und ehrend seiner gedenkt. Die Fehde scheint sowohl eine künstlerische Seite gehabt zu haben – den Streit um die „richtige“ Minnekonzeption –, als auch eine menschliche, die persönlichen Hass zeigt.
Eine wichtige Gruppe von Liedern zeigt Walthers neues, Reinmar entgegengesetztes Konzept, das Ideal der „ebenen Minne“, das eine nicht standesbezogene, wechselseitige und erfüllte Liebe als Ideal ansieht. Die populärsten seiner Lieder thematisieren die erfüllte Liebe zu einem Mädchen, dessen Stand meist nicht ausgesprochen wird, das aber nicht als adelig zu denken ist. Je nach Blickwinkel der Interpreten werden diese Lieder meist als „Niedere Minne“ oder „Mädchenlieder“ bezeichnet.
Insbesondere wurde die Gattungszugehörigkeit an dem Lied Under der linden (L. 39,11) diskutiert; vor allem, inwieweit es Merkmale der Gattung Pastorelle besitzt. Dieses thematisiert das Liebeserlebnis eines anscheinend einfachen Mädchens mit ihrem höfischen Geliebten in der freien Natur. Es zeigt die Abkehr vom Ideal der unerfüllt bleibenden „Hohen Minne“ des Ritters zur höher gestellten Dame. Walther hat selbst in verschiedenen Liedern das Wesen von Hoher, Niederer und schließlich „ebener“ Minne, der erfüllten Liebe von gleich zu gleich, entwickelt und charakterisiert.
Walthers „Mädchenlieder“ lösen zeitlich wahrscheinlich die Frühphase, die stark vom klassischen Minnesang geprägt ist, ab. Eine scharfe Abgrenzung zu den Liedern der „Hohen Minne“ ist aber nicht möglich: die Übergänge sind fließend. Einige Lieder der „Hohen Minne“, die den Eindruck erwecken, die Wiederaufnahme einer älteren Thematik zu sein, fasste Carl von Kraus als eine Gruppe „Neue Hohe Minne“ zusammen. Dass er die Gruppeneinteilung Hohe Minne – Niedere Minne – Neue Hohe Minne – als eine chronologische Gliederung verstand, zog ihm scharfe Kritik zu, vor allem durch Günther Schweikle.
Mittelalterliche Dichter scheinen sich an Gattungskonventionen gehalten zu haben, bzw. die Schöpfung einer neuen Gattung wurde bewusst vorgenommen und von den Zeitgenossen auch als solche wahrgenommen. Doch entspricht dem nicht die Schaffung einer entsprechend ausgefeilten Terminologie; im Vergleich zu späteren Zeiten war man an terminologischer Unterscheidung der Unterarten von Gedichten nicht interessiert. Daher ist die Kategorisierung in heutiger Forschungsliteratur je nach Blickwinkel des Interpreten unterschiedlich.
Seit Emil Staiger betrachtet die Literaturwissenschaft die Haltung eines Gedichtes, ob eher Gefühle übermittelnd (lyrisch) oder erzählend (episch) oder handlungsbetont (dramatisch); danach wäre nur Weniges an Walthers Gedichten als „lyrisch“ zu kategorisieren. Fasst man „Lyrik“ als Hinweis auf die Aufführungspraxis, als mit musikalischem Vortrag unter Begleitung mit einem Saiteninstrument vorgetragen, so gehört auch die gesamte Spruchdichtung Walthers, weil Sangversdichtung, zur Lyrik.
Ob Walther selbst eine strenge gattungsmäßige Trennung zwischen den beiden Gattungen Lied und Spruch im Auge hatte, hängt an der Interpretation einer Zeile in seinem Alterston und ist daher umstritten. In Walthers Altersdichtung verschwimmt jedenfalls die formale Trennung zwischen einerseits mehrstrophigem (mindestens zweistrophigem) Lied und anderseits einzeln verstehbaren Spruchstrophen (auch wenn einige von Walthers Spruchtönen bestimmten Themen gewidmet sind). Auch sind schon von den Liedern der „Hohen Minne“ einige besser als allegorisch verkleidete inhaltliche Auseinandersetzungen mit politischen oder künstlerischen Gegnern zu verstehen, also nicht reine Stimmungslyrik.
Walthers Geburtsort ist unbekannt. Es gab im Mittelalter viele sogenannte Vogelweiden bei Städten und Burgen, wo man Falken für die beliebte Falkenjagd hielt. Daher erlaubt der Name keine eindeutige überregionale Zuordnung, sondern war zunächst wohl nur in einem engen regionalen Umfeld sinnvoll, wo es nur eine einzige Vogelweide gab, oder wurde immer schon als metaphorischer Sänger-Übername verstanden, wie sie bei den Spruchdichtern des 12. und 13. Jahrhunderts üblich waren. Minnesänger – sofern sie adlig waren – waren allerdings grundsätzlich unter ihrem Adelsnamen bekannt und Walthers Beiname wurde von Zeitgenossen wie ein geläufiger, vom Herkunftsort abgeleiteter Eigenname benutzt (z. B. von Gottfried von Strassburg: die [nahtegal] von der vogelweide, in Bischof Wolfgers Reiserechnungen [walthero cantori de vogelweide] und von Wolfram von Eschenbach [im Willehalm Vers 286,19, her vogelweid]).
Mehrere Orte wurden, oft von Lokalhistorikern, als mögliche Geburtsstätten des Sängers vorgeschlagen, darunter Lajen (Südtirol), Frankfurt am Main, Feuchtwangen, Würzburg, Dux (Böhmen) und die Stollburg bei Oberschwarzach.
Als Indiz für eine Herkunft aus dem Herzogtum Österreich, und damit wohl von der Vogelweide des Herzogs, von der man aber nicht weiß, wo sie lag, wird die sogenannte Alterselegie herangezogen. Hier nimmt Walther Bezug auf das Land seiner Jugend und wählt für diesen rückblickenden Text Langzeilen, wie sie für den „Donauländischen Minnesang“ kennzeichnend sind. Auch die Sprache Walthers weist Eigenheiten auf, die für den österreichischen Donauraum kennzeichnend sind. Die Annahme, dass er von der Vogelweide des österreichischen Herzogs stammt, könnte erklären, dass er, trotz offensichtlicher Meinungsverschiedenheiten mit Herzog Leopold VI., immer wieder am Hof zu Wien Fuß zu fassen suchte und anscheinend so etwas wie ein „Heimatrecht“ geltend zu machen suchte (Ze Ôsterrîche lernt ich singen unde sagen; Lachmann 32,14), und gleichzeitig die Gönnerschaft des Bischofs von Passau in Anspruch nahm, zu dessen Diözese Wien gehörte. Dagegen wurde eingewendet, dass das Zitat „ze Ôsterrîche lernt ich singen unde sagen“ den Ausbildungsort betont und fraglich ist, ob es auf den Herkunftsort bezogen werden kann.
Alois Plesser (1911) und genauer Helmut Hörner lokalisierten im Gebiet der Gemeinde Schönbach (Niederösterreich) einen 1556 im Urbar der Herrschaft Rappottenstein angeführten Vogelweidhof und leiteten daraus die Annahme einer Herkunft Walthers aus dem Waldviertel ab. Ein vorsichtig unterstützendes Argument für diese These lieferte der Mediävist Bernd Thum 1977 und 1981: In der „Alterselegie“ klagt der Sänger Bereitet ist daz velt, verhouwen ist der walt; daraus schloss Thum, dass Walthers Heimat in einem Gebiet lag, wo zu dieser Zeit noch gerodet wurde, was auf das Waldviertel zutreffe. Walter Klomfar schloss sich dieser Meinung an und verwies zusätzlich auf eine historische Karte, die von Mönchen des Stiftes Zwettl im 17. Jahrhundert im Rahmen einer juristischen Auseinandersetzung angefertigt worden war. Darauf ist östlich eines Dorfes namens Walthers eine Flur als Vogelwaidt mit zugehörigem Hof eingezeichnet. Der Name Walther ist allerdings so häufig, dass eine zufällige Namensgleichheit wahrscheinlicher ist.
Verbreiteter war im 19. Jh. die Annahme, dass Walther vom Vogelweider Hof bei Lajen in Südtirol stammt. Dazu wird der Willehalm Wolframs von Eschenbach angeführt (136, 1–10), wo Wolfram sich über eine als Walther erkennbare „Nachtigall“ lustig macht, die lieber Bozener Wein als Wasser trinke. Neuere, aber nicht allgemein anerkannte Forschungen führen weitere Indizien an: Das Lajener Ried, wo sich die Vogelweiden befinden, liegt in der Nähe von Waidbruck, das bis zur Eröffnung des Kuntersweges durch die Eisackschlucht um 1314 eine Schlüsselstelle der so genannten Kaiserstraße, eines stark frequentierten Verkehrsweges, war. Die Benutzung dieses Weges durch Bischof Wolfger, Walthers Förderer, ist dokumentiert.
Gegen die Südtirol-These wird eingewendet, dass das Wolfram-Zitat nicht aussage, dass Walther aus der Gegend von Bozen stammt, sondern darauf, dass Walther sich im Tegernsee-Spruch darüber beschwerte, dort nur Wasser erhalten zu haben. Das Kloster Tegernsee hatte seine Weingärten in Bozen. Walther nenne in keinem seiner Gedichte eine Tiroler Persönlichkeit, und die Favorisierung dieser These im 19. Jahrhundert sei von den damaligen politischen Zeitumständen beeinflusst worden.
Über den Ort des Grabes und die lateinische Inschrift gibt es nur die Angaben des Würzburger Protonotars Michael de Leone († 1355), Auftraggeber für die Liederkompilation der Handschrift E. Er gibt das Epitaph wieder (Pascua. qui volucrum. vivus. walthere. fuisti / Qui flos eloquij. qui palladis os. obiisti. / Ergo quod aureolum probitas tua possit habere. / Qui legit. Hic. dicat. deus iustus miserere „Der du eine Weide für die Vögel, Walther, im Leben bist gewesen, eine Blume des Ausdrucks, ein Mund der Paläste, bist nun tot. Wer’s liest, was Herrliches Deine Redlichkeit enthalten kann, der sprich: Gerechter Gott, erbarme Dich!“), was von der Teilübersetzung im Münchener 2° Cod. ms. 731 (Würzburger Liederhandschrift [E]), fol. 191v ergänzt wird: Her walter uon der uogelweide. begraben ze wirzeburg. zv dem Nuwemunster in dem grasehoue. Auch im Manuale des Michel de Leone (Universitätsbibliothek Würzburg M.p.misc.f.6, fol. 31vb) findet sich ein entsprechender Eintrag in lateinischer Sprache (Sepultus in ambitu novomonasterii herbipolensis). Manche Forscher bezweifeln allerdings die Vertrauenswürdigkeit Michaels de Leone. Eine Legende besagt, Walther habe verfügt, dass an seinem Grab täglich die Vögel gefüttert werden sollen, um seinen Lehrmeistern auf ewig zu danken und so auch andere Menschen zu inspirieren.
An dem Ort im Grashof des Neumünster-Kreuzgangs, wo der Dichter vermutlich um 1230 auf dem damaligen Friedhof nördlich der Neumünsterkirche im Lusamgärtchen, bei der Stelle des ehemaligen Kreuzgangs (in dem grasehoue) beerdigt wurde (Sepulto in ambitu novimonasterii herbipolensis – ‚Begraben im Kreuzgang des Neumünsters zu Würzburg‘), steht seit 1930 ein Denkmal für ihn. Das Denkmal trägt die Hugo von Trimberg zugeschriebenen Verse: Her Walther von der Vogelweide, swer des vergaeze, der taet mir leide. Das alte Grabmal wurde vermutlich Mitte des 18. Jahrhunderts bei Bauarbeiten entfernt. An der Apsis der Neumünsterkirche hatte jedoch am 25. August 1843 der Historische Verein für Unterfranken und Aschaffenburg in einer seitlichen Nische ein Denkmal mit dem Grabspruch angebracht. Der Kaiser hatte die ersten Pfründen des Stifts Neumünster sowie anderer bedeutender Reichsstifte nach der Thronbesteigung selbst vergeben. Dadurch ließe sich erklären, wodurch Walther an ein geistliches Lehen gekommen und im Kreuzgang des Stifts begraben worden sei, ohne Geistlicher oder Stiftsherr zu sein.
Ein 1911 von Heinrich Karl Scholz geschaffenes Denkmal befindet sich in der böhmischen Stadt Duchcov.
Eine von Ludwig Sonnleitner geschaffene, erstmals 1921 aufgestellte und von Ernst Singer restaurierte steinerne Skulptur Walthers findet sich seit Juni 1984 auf dem Würzburger Kiliansplatz, dem ehemaligen „Leichhof“ zwischen Dom und Neumünster. Eine weitere Darstellung Walthers in der typischen Pose aus der Manessischen Liederhandschrift zeigt der Frankoniabrunnen vor der Würzburger Residenz. Auch die seit 1909 als (ursprünglich katholische) Volksschule in Heidingsfeld bestehende, aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg so benannte Waltherschule in der Winterhäuser Straße 1 hat in ihrem Schulhof eine von dem Bildhauer Karl Schneider 1966 angefertigte Bronzefigur Walthers von der Vogelweide.
Eine Gedenktafel über ihn befindet sich in der Walhalla in Donaustauf. In Bozen steht auf dem zentralen Waltherplatz das Walther-Denkmal. Auch im ostwestfälischen Halle befindet sich ein Denkmal.
Hörbeispiele
interpretiert vom Salzburger Ensemble für Alte Musik Dulamans Vröudenton