Liedillustrationen zu "Du bist wie eine Blume"
Der Schaffensrausch im Jahr 1840 ist für den Komponisten ein überwältigendes Erlebnis. Am 22. Februar schreibt er an Clara aus Leipzig: "... Adieu nun, mein Mädchen, das Sinnen und Musizieren macht mich beinahe tot jetzt; ich könnte darin untergehen. Ach Clara, was das für eine Seligkeit ist, für Gesang zu schreiben. Das hatt' ich lange entbehrt..."1. Wenig später vollendet sich Schumanns "Liederjahr", in dem er vor Einfällen geradezu übersprudelt. Heinrich Heine wird zu einem seiner Lieblingsautoren. Im Liederkreis "Myrten", dem Hochzeitsgeschenk des Komponisten für Clara, ist er mehrfach vertreten, unter anderem durch das Lied "Du bist wie eine Blume", das wiederum Musikfreunde der Zeit entzückt, jedenfalls wenn man die ungewöhnlich zahlreichen Liedillustrationen zu diesem Werk als Indizien betrachtet.
Die hier ausgewählten sieben verschiedenen Darstellungen des Liedes erfüllen die Grundvoraussetzungen von Illustrationen, indem sie sich auf den Titel oder einzelne Strophen bzw. Textstellen beziehen, ohne dabei das gesamte Gedicht aus den Augen zu verlieren. Sie leben von der bilderreichen Sprache Heines, die visuelle Pendants geradezu herausfordert, aber auch von der Interpretation des eindrucksvollen Liedtitels "Du bist wie eine Blume". Schumann selbst legte Wert auf eine gut gewählte poetische Überschrift, die seiner Auffassung nach die Wirkung der Musik hebt.2
Auf den Karten ist der Liedtitel durch Fettdruck oder eine dekorative Zierschrift hervorgehoben und bildet meistens den Schwerpunkt der visuellen Ausführungen, die nicht alle den literarischen Ansprüchen des Gedichtes und vermutlich auch nicht dem Geschmack kritischer Betrachter zu genügen vermögen. Die Kunst Heines verlangt nach poetischen Illustrationen, die dem romantischen Gedicht gewachsen sind. Es dominieren jedoch prosaische Sichtweisen, die sich des Poetischen weitgehend entledigen und brav oder handfest den "realen" Vorgaben im Text nachspüren. Ein Mond ist dann eben ein Mond, im Mai ist alles sonnig und grün, der Herbst färbt die Blätter bunt, und wenn es um Liebe und Frauenschönheit geht, wächst irgendwo eine Rose.
Um das Lied visuell überzeugend wiederzugeben, bedarf es der einfühlsamen Erzählkunst von Malern oder Fotografen, die vorhandene Motive jeweils nach ihren Möglichkeiten paraphrasieren, in überraschender Form verfremden oder in Teilen neu erfinden. Man kann zum Beispiel den Sprecher in das Bild einfügen oder ganz auf ihn verzichten. Allein diese Maßnahme, den männlichen Part sichtbar zu machen, ihm eine konkrete Gestalt zu geben und ihn individuell agieren zu lassen, führt zu unerwarteten Bildkonzepten. Ebenso verleiht eine dominante Landschaft, ein Naturbild oder eine markante städtische Umgebung dem Lied einen Rahmen, der es in einem neuen Licht erscheinen lässt. Elemente des um 1905 aktuellen dekorativen Jugendstils fließen manchmal in die Bildgestaltung ein und tragen zur Modernität des Genres bei. So wirkt das dargestellte Lied auf seine Art manchmal eindringlicher als der Text allein es vermöchte und gibt auch dem Lied in Musikgestalt eine neuartige Aura. Entscheidend ist, dass die Fantasie der Bildhersteller den inhaltlichen Rahmen der literarischen Vorlage nicht vollständig überschreitet und ein gewisser Wiedererkennungswert erhalten bleibt. Zur Sicherheit ist immer noch der Text des Gedichtes - komplett oder in Teilen - zugegen, der ggf. Irritationen des Betrachters auffängt.
Der Klaviersatz Schumanns versinkt meist hinter den Bildern. Das komplexe musikalische Metier entzieht sich weitgehend der quasi analogen bildlichen Darstellung. Man kann ihn aber auch nicht völlig ausblenden, er ist von keinem Lied zu trennen und latent immer präsent. Wer das Stück kennt, wird sich erinnern. Notenzitate helfen dabei.
1 In: Jugendbriefe von Robert Schumann, hg. von Clara Schumann, Leipzig 1886, S. 309.
2 Gesammelte Schriften über Musik und Musiker Bd. II, hg. von Heinrich Simon, Leipzig 1889, S. 182.
Weitere Abteilungen der Ausstellung
1. Zur Person 2. Clara und Robert 3. Liedillustrationen zu "Du bist wie eine Blume"
4. Bilder zur "Dichterliebe" 5. Schumann-Bilder
6. Von der Rheinkrise 1840 bis zum Ersten Weltkrieg - Robert Schumann im politischen Diskurs
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