Bilder zur "Dichterliebe"
Für den Anfang dieser Rubrik wäre eine Bildpostkarte mit Lionello Balestrieris Gemälde „Robert Schumann Dichterliebe komponierend" (ID os_ub_0005617) geeignet. Leider dürfen wir sie aus Rechtsgründen vorerst nicht zeigen. Sie würdigt Schumanns Opus 48 mit 16 Gedichten aus Heines Sammlung "Lyrisches Intermezzo". Der angedeuteten Aura des Bildes nach zählt die "Dichterliebe" zu den Hauptwerken der Musik und Schumann zu den Großmeistern seiner Zunft. Die Karte bestätigt das Interesse an diesem Zyklus, das sich auch in ungewöhnlichen Mehrfachillustrationen einzelner Lieder ausdrückt. Das Osnabrücker Archiv verfügt derzeit über 33 Karten, die thematisch damit verbunden und Ausdruck wie auch Teil der Popularität dieses Werkes sind. Elf davon stehen im Folgenden zur Diskussion. Die geringe Anzahl der Gedichtstrophen kommt dem begrenzten Format der Karten entgegen. Von den sechzehn Nummern sind - nach derzeitigem Archivstand - die folgenden acht als Bildvorlagen auf Postkarten gelandet: 1, 4, 5, 6, 7, 10, 11 und 15.
Die erzählende Lyrik Heines eröffnet Malern und Fotografen ein weites Feld für die Gestaltung ihrer Bilder, die gern der vorgegebenen Handlung folgen, vor deren direkter Wiedergabe allerdings poetische Elemente häufig verblassen oder sich auf Nebenschauplätze begeben. Es gibt in der Regel einen männlichen Sprecher, der nicht immer visuell anwesend ist, aber in Ichform seinen Empfindungen Ausdruck gibt. Was ihm widerfährt und was er empfindet, erfährt der Betrachter selten in Gänze, denn meistens ist das Gedicht nur bruchstückhaft wiedergegeben oder es erscheint lediglich mit seinem Titel.
Bei den Illustrationen fallen die Unterschiede zwischen fotografischen Vorlagen und Gemälden besonders ins Auge. Von den elf hier abgedruckten Abbildungen bedienen sich sieben fotografischer Vorlagen, während vier sich auf Gemälde beziehen. Die Fotografie gehört zu den modernen Errungenschaften und ist in den Jahren zwischen 1895 und 1914, aus denen die meisten Karten stammen, im Aufstieg begriffen. Unternehmen wie die Neue Photographische Gesellschaft entwickeln fotografische Kopierverfahren, welche eine schnellere und preiswertere Herstellung von Bildpostkarten ermöglichen, die damit als Massenprodukte "populär" werden.
Die Unterschiede zwischen Fotobildern und Reproduktionen von Gemälden sind gravierend.
Fotografien sind im Gegensatz zu den Gemälden weniger in der Lage, die Poesie Heines einfühlsam wiederzugeben. Die Akteure des Geschehens sind Schauspieler oder Laiendarsteller, die vor der Kamera posieren und mehr oder weniger nachspielen, was der Text vorgibt. Das erzeugt eine Art Theaterwirklichkeit, die zu grob ist für die meisten Gedichte. Alle Zwischentöne, wie Melancholie oder die feine Ironie Heines, entschwinden und machen "realistischen" Bildern Platz. Darstellungen des Liedes "Wenn ich in deine Augen seh'" werden zu Stummfilm-Szenen, in denen ein Mann bei einer Frau Trost sucht und am Ende weinend zusammensinkt, das Taschentuch demonstrativ in der Hand. Origineller ist da der Einsatz "niedlicher" Kleinkinder, die dem Betrachter mitteilen: "Ich grolle nicht" und nebenbei von der Wirkung des "Kindchenschemas" profitieren. Dennoch sind auch diese Karten nicht ohne Reiz. Sie präsentieren zum Beispiel charmante und modisch gekleidete Damen der besseren Gesellschaft, das Interieur eines bürgerlichen Salons, eine beeindruckende Landschaft und gerne auch kleine interessante Begegnungen zweier Liebender. Solche Bilder erklären sich meistens von selbst und bedürfen der Unterstützung durch Heines Gedichte eigentlich nicht.
Maler verfügen insgesamt über differenziertere Möglichkeiten, dem poetischen Gehalt der Heineschen Kunst nahe zu kommen. Sie erfassen feine Stimmungs-Nuancen, operieren mit abgestuften Farbtönen, nutzen Perspektiven und sind in der Lage, die Welt der Dichtung nach ihren Möglichkeiten auszugestalten und zu bereichern.
Mit Liedpostkarten aller Art eröffnet sich ein neuartiger, affektiver Zugang zu dem jeweiligen Gedicht und letztlich auch zur Musik Schumanns. Sie zeigen, wie sehr man seine Kunst zu schätzen weiß, und würdigen den Komponisten, indem sie seine Lieder originell und liebevoll gestalten, einem größeren Publikum zugänglich machen und damit zugleich popularisieren.
Weitere Abteilungen der Ausstellung
1. Zur Person 2. Clara und Robert 3. Liedillustrationen zu "Du bist wie eine Blume"
4. Bilder zur "Dichterliebe" 5. Schumann-Bilder
6. Von der Rheinkrise 1840 bis zum Ersten Weltkrieg - Robert Schumann im politischen Diskurs
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