Ludwig Thoma


1867 – 1921

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Ludwig Thoma (* 21. Januar 1867 in Oberammergau; † 26. August 1921 in Tegernsee) war ein deutscher Schriftsteller, der durch seine ebenso realistischen wie satirischen Schilderungen des bayerischen Alltags und der politischen Geschehnisse seiner Zeit populär geworden ist.

Leben

Herkunft und Schulzeit

Ludwig Thoma wurde als fünftes Kind des Försters Max Thoma und dessen Ehefrau Katharina Thoma, geb. Pfeiffer, in Oberammergau geboren. Die Vorfahren väterlicherseits waren im Forstdienst tätig; der Urgroßvater Joseph von Thoma (1767–1849) hatte die bayerische Forstverwaltung geleitet und war für seine Verdienste in den persönlichen Adelsstand erhoben worden. Die Familie der Mutter betrieb zunächst in Oberau, später in Oberammergau, eine Gastwirtschaft. Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte er im Forsthaus Vorderriß an der Isar nahe der Tiroler Grenze, einer damals sehr abgelegenen und einsamen Gegend. Die Erziehung lag wesentlich in den Händen des Kindermädchens Viktoria Pröbstl, zu der Ludwig Thoma ein sehr inniges Verhältnis hatte.

Nach Katharina Thomas Willen sollte Ludwig die geistliche Laufbahn einschlagen. Daher legte sie großen Wert auf eine gute Ausbildung des Sohnes; Hauslehrer brachten ihm schon vor der Einschulung das Lesen und Schreiben bei, und er erhielt früh private Lateinstunden.

Kurz nachdem die Familie 1874 nach Forstenried bei München übersiedelte, Ludwig war erst sieben Jahre alt, starb der Vater. Bei seinem Tod fand sich die Familie überraschend gänzlich mittellos: Viktoria Pröbstl musste das Mobiliar des Forsthauses verkaufen, um die Bestattung finanzieren zu können. Nun musste die Mutter die sieben Kinder alleine großziehen.

Die Geschwister bekamen zunächst einen Kollegen des Vaters, Karl Decrignis, als Vormund. Ludwig und seine Schwester Luise kamen in die Obhut ihres Onkels Albert Paulus in Landstuhl in der Pfalz. Dort besuchte er eine Klasse der Volksschule und die zweite Klasse der Lateinschule (aufgrund seiner Vorkenntnisse durfte er die erste Klasse auslassen). Der Tod des Vaters und die frühe Trennung von der Familie (die anderen Geschwister blieben bei der Mutter) blieben nicht ohne Folgen: Thoma war ein schwieriger Schüler, der in Landstuhl wenig vorteilhafte Zeugnisse erhielt:

Die Mutter pachtete 1876 die Gaststätte Zur Kampenwand in Prien am Chiemsee, die sie gemeinsam mit Viktoria Pröbstl und ihren Töchtern bewirtschaftete. Für Ludwig Thoma begann das Pendeln zwischen den Internaten und den Ferien im idyllischen Wohnort der Familie, wie er es auch in seinen Lausbubengeschichten schildert. Auch die Vergehen des Knaben und die Konflikte mit Lehrern, die sich in den Lausbubenschichten finden, basieren wohl auf wirklichen Erlebnissen: „Es gibt ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass Thoma diese Vorwürfe für die literarische Verarbeitung verdichtet, aber keineswegs erfunden hat.“ 1877 wechselte er in das Internat des Studienseminars in Neuburg an der Donau. Er musste die Klasse wiederholen und zwar an der Studienanstalt in Burghausen. Hier zählte Georg Pauliebl zu seinen Freunden, der ebenfalls für die geistliche Laufbahn vorgesehen war und diese – unter widrigen Umständen – auch einschlug; seine Lebensgeschichte hat (wenngleich wenig vorteilhaft) Thoma in der Erzählung Der heilige Hies geschildert.

Von Burghausen wechselte Thoma 1879 an das Wilhelmsgymnasium München. Er wohnte während der Schulzeit zur Untermiete bei pensionierten Beamten und schilderte diese Zeit ausgiebig in seinen Erinnerungen. Auch in München musste er eine Klasse wiederholen und blieb bis 1885. Die Familie zog 1883 nach Traunstein um, wo die Mutter den Gasthof Zur Post pachtete. Auslöser für den Ortswechsel scheint eine „Schandtat“ Ludwigs gewesen zu sein, die auch dazu führte, dass die Schwester Marie bei einem Verehrer unmöglich gemacht wurde. 1884 übernahm nach dem Tod von Karl Decrignis der Forstbeamte Ludwig von Raesfeldt die Vormundschaft über die Geschwister Thoma.

Raesfeldt gelang es auch, 1885 Ludwig den Zutritt zur Abschlussklasse des Gymnasiums in Landshut zu verschaffen, nachdem ihm in München der Rauswurf drohte. Martin A. Klaus zitiert die „sonstigen Bemerkungen“ aus Thomas Landshuter Abiturzeugnis:

In Landshut bestand Thoma 1886 die Maturitätsprüfung, die unserem heutigen Abitur entspricht. Auf Vorschlag seiner Mitschüler sollte er die Abiturrede halten: „Doch der junge Mann versagte. Stumm stand Thoma vor dem Auditorium, unfähig ein Wort herauszuwürgen, bis der Rektor ans Pult eilte, eine Rede improvisierte und die Situation rettete.“

Studium und Tätigkeit als Jurist

Thoma wollte – wie sein Vater – Förster werden und begann im Wintersemester 1886/87 das Studium der Forstwissenschaft in Aschaffenburg, brach es jedoch nach dem ersten Jahr ab. In seiner Aschaffenburger Zeit gehörte er dem ältesten Forstcorps, dem Corps Hubertia an. Weil er zu einer Mensur nicht antrat, wurde er unehrenhaft („ohne Band“) entlassen.

Zum Wintersemester 1887/1888 wechselte er an die Ludwig-Maximilians-Universität München und immatrikulierte sich dort in Rechtswissenschaft. Wie sein Vater vor ihm wurde er Mitglied im Corps Suevia München. In München trat er zwar zu zwei Pflichtduellen an, blieb aber jeweils passiv. So erhielt er die (zu seiner Zeit) erstrebenswerten Schmisse, wurde aber auch aus dem Corps Suevia ohne Band entlassen. Auf Rat eines Kommilitonen wechselte er zum Sommersemester an die Universität Erlangen; hier studierte er, ohne sich in Verbindungen zu engagieren, und erhielt am 1. August 1890 das Zeugnis zum Eintritt in den juristischen Vorbereitungsdienst. Für Martin Klaus ist das Versagen und der anschließende Wechsel des Studienortes symptomatisch für Thomas Charakter:

In seinen Erinnerungen gibt Thoma zwar wortreich seine Zeiten als Gymnasiast in München und Prien wieder, das Studium handelt er dagegen äußerst knapp ab:

Ab 1890 arbeitete er als Rechtspraktikant in Traunstein. Gleichzeitig verfasste er eine Dissertation über das Thema Die Lehre von der Notwehr beim Strafrechtsprofessor Karl Lueder. Am 6. Dezember 1890 bestand er die mündliche Prüfung mit der (schlechtestmöglichen) Note „Rite“. In Thomas Nachlass fand sich ein handschriftliches Exemplar der Doktorarbeit mit letzten Korrekturauflagen; Thoma ließ sie allerdings nie drucken und bekam daher auch keine Promotionsurkunde ausgehändigt. Strenggenommen führte er daher den Doktorgrad zu Unrecht.

In seinen Erinnerungen mokiert sich Thoma über den Standesdünkel der Juristen zu seiner Traunsteiner Zeit:

1892 kaufte Thomas Mutter das Anwesen Zur Post in Seebruck am Chiemsee – eine Gaststätte mit umfangreicher Landwirtschaft. Sie sollte Ludwigs Bruder Peter Thoma, der aus Australien zurückkehrte, als Existenzgrundlage dienen. Ende 1892 trat Ludwig Thoma in den Dienst des Münchener Magistrats und im Februar 1893 als Konzipient in die Rechtsanwaltskanzlei Loewenfeld & Bernstein in München ein. Die knappen Einkünfte reichten nicht, um seinen Lebensstil zu decken, mehrfach lieh er sich Geld von dem Baubeamten Jakob Frankl, einem Freund der Familie, mit dem er auch regen Briefkontakt pflegte. Auch sein Onkel Josef Thoma aus Ebersberg (in den Lausbubengeschichten als „Onkel Pepi“ porträtiert) unterstützte ihn durch regelmäßige finanzielle Zuwendungen.

In München begann auch Thomas literarische Karriere: Am Stammtisch der Gaststätte „Herzl“ lernte er Joseph Ritter von der Augsburger Abendzeitung kennen, der ihn ermunterte, seine Stammtisch-Causerien in Schriftform zu verfassen. Die humoristische Zeitschrift Fliegende Blätter in München veröffentlichte im Januar 1893 erstmals ein Gedicht von Thoma.

Im Juni 1894 starb seine Mutter. Der Konflikt mit ihr bzw. mit ihrem Wunsch nach einer geistlichen Karriere prägte Thomas frühe Jahre und findet sich immer wieder in seinem Werk. Thomas Biografen bewerten sie unterschiedlich: Während Martin Klaus vor allem ihre frömmlerisch larmoyante Art beschreibt, betont Gertrud Rösch, dass sie nach dem Tode ihres Mannes durch ihre Tätigkeit als Gastwirtin nicht nur Ludwig Thomas Gymnasial- und Studienzeit finanzierte, sondern auch einiges an Vermögen ersparte.

Da ihm die Geschäftsaussichten für Rechtsanwälte in München nicht günstig schienen, wählte er mit Dachau eine Kleinstadt im Umland als Domizil, nachdem er zunächst Erding erwogen hatte.

Diese Schilderung in seiner Autobiografie stimmt in dreifacher Hinsicht nicht: Die hundert Mark waren von Jakob Frankl geliehen, der „Schneidermeister“ unterhielt ein Textilkaufhaus, und in Dachau waren schon seit vielen Jahren mehrere Anwälte zugelassen. Den Haushalt führte Viktoria Pröbstl, die Thoma nach dem Tod der Mutter in seine Dienste nahm, sowie die Schwestern Marie und Bertha. Die Kanzlei lief gut, Thomas Einkünfte stiegen, und aus den Rechtsfällen seiner bäuerlichen Mandanten konnte er später Material für seine literarische Arbeit schöpfen. Neben der anwaltlichen Tätigkeit schrieb er für die Augsburger Abendzeitung und die Jugend lobende Gedichte anlässlich des 100. Geburtstags von Kaiser Wilhelm I.

Erste Erfolge als Schriftsteller

Im April 1895 veröffentlichte Ritter in der literarischen Beilage Sammler die Kurzgeschichte Der Truderer, in der Thoma erstmals in Prosaform heitere Begebenheiten aus dem bäuerlichen Leben beschrieb. Auch zu politischen Themen äußerte sich Ludwig Thoma, der im Oktober einen Artikel über den Parteitag der bayerischen SPD und deren Agrarpolitik für die Augsburger Abendzeitung schrieb. Darin wandte er sich gegen die Reformbestrebungen der Sozialdemokraten und bezeichnete Clara Zetkin als „russisches Mannweib“.

Die ersten Erfolge und die wirtschaftlich solidere Lage ließ ihn eine Eheschließung in Erwägung ziehen. Er hatte schon 1892 die Nürnbergerin Johanna Sachs, Tochter eines Getreidehändlers kennengelernt, um die er vorsichtig zu werben begann. Als ihr Vater ihm aber keine weiteren Hoffnungen machte, gab er das Vorhaben wieder auf.

Ende 1896 unternahm Thoma einen weiteren Versuch, eine Ehefrau zu finden. Er begann auf Basis einer Heiratsannonce mit mehreren Kandidatinnen Briefe auszutauschen, die allerdings zu keinem Ergebnis führten. Er verspottete die Damen etwas später in seinem ersten Lustspiel Witwen. Im Frühjahr 1897 zog Thoma nach München um, wo er mit seinem Schulfreund Richard Rothmaier eine Junggesellenwohnung teilte, den Haushalt führte Viktoria Pröbstl. Mit einem Studienfreund eröffnete er eine Anwaltskanzlei, der er jedoch in den folgenden Jahren immer weniger Zeit widmete. Im Café Heck am Odeonsplatz kam er mit Mitarbeitern der 1896 von Albert Langen gegründeten satirischen Wochenschrift Simplicissimus in Kontakt. Zwei der Zeichner, Adolf Hölzel und Bruno Paul, illustrierten seine Geschichtensammlung Agricola. Bauerngeschichten, die im November 1897 in der Waldbauerschen Buchhandlung in Passau erschien. Sein Lustspiel Die Witwen fiel bei Albert Langen durch und auch der Münchener Intendant Jocza Savits lehnte es ab.

1898 sandte er erste Manuskripte an den Simplicissimus, die dort (und beim Publikum) guten Anklang fanden. Als die Ausgabe vom 31. Oktober 1899 wegen Majestätsbeleidigung konfisziert wurde, flohen der Autor Frank Wedekind, der Zeichner Thomas Theodor Heine und Verleger Langen ins Ausland, um der Strafverfolgung zu entgehen. Der Simplicissimus benötigte einen Verantwortlichen vor Ort am Redaktionssitz in München. Langen erwog, Thoma als Redaktionsleiter zu engagieren, sein Vertrauter Korfiz Holm sprach sich schon zuvor klar gegen Thoma aus:

Langen aber entschied sich für Thoma, der im September 1899 seine Kanzlei verkauft hatte und fester Redakteur des Simplicissimus wurde.

Redaktionsleiter beim Simplicissimus

Thoma zählte in den folgenden Jahren zu den wichtigsten Autoren des Simplicissimus. Er trat als Satiriker unter mehreren Pseudonymen auf – seine Gedichte zeichnete er meist als „Peter Schlemihl“. Anfang 1901 schrieb er den in Dachau angesiedelten Einakter Die Medaille, der am 24. August 1901 am Residenztheater München uraufgeführt wurde. Auch in Berlin kam das Stück auf die Bühne; Thoma begleitete dort die Inszenierung am Überbrettl im November 1901.

1898 lernte Thoma eine Frau kennen, die er in Tagebuchaufzeichnungen und privaten Briefen nie namentlich erwähnte, sondern mit „G.“ bzw. Hohenzollernstraße umschrieb. (In der Schwabinger Hohenzollernstraße trafen sich die beiden zu ihren Schäferstündchen.) Martin Klaus vermutet, dass es sich bei der Geliebten, die verheiratet war, älter als Thoma und (laut seinem Mitbewohner Rothmair) der ungarischen Oberschicht entstammte, um Kathinka Ganghofer, die Frau von Ludwig Ganghofer, handeln müsse. Thoma und Ganghofer kannten sich zu dieser Zeit noch nicht persönlich; Thoma beendete die Affäre Ende 1901, Ganghofer und er lernten sich erst 1903 kennen.

Seit 1901 schrieb Thoma an der Komödie Die Lokalbahn, die am 19. Oktober 1902 (wieder im Residenztheater) Premiere feierte. Im November 1902 starb Viktoria Pröbstl.

Materielle Erfolge und Reisen

1903 lernte Thoma den Grafiker Ignatius Taschner kennen, mit dem ihn bald eine enge Freundschaft verband. Spätestens mit dem Erfolg der Lokalbahn wurde Thoma für den Verlag zu einer wichtigen Einnahmequelle. Thoma war seine Geldsorgen los und gönnte sich einen großbürgerlichen Lebensstil: Gemeinsam mit Albert Langen pachtete er ein Jagdgebiet in Unterweikertshofen bei Dachau, wo er schon seit 1895 immer wieder zu Besuch weilte. Langen zahlte zwar die Hälfte der Pacht, genutzt wurde die Jagd aber in erster Linie von Thoma. Im März und April 1903 reiste er zum ersten Mal gemeinsam mit Kollegen des Simplicissimus mit dem Fahrrad durch Italien bis nach Rom. Er schrieb die spöttische Erzählung Der heilige Hies und begann an seinem ersten Roman Andreas Vöst zu schreiben.

1906 wurde Thoma zusammen mit Hermann Hesse Herausgeber der Zeitschrift März.

Spott und Verurteilung

Im gleichen Jahr wurde er wegen des im Simplicissimus veröffentlichten Spottgedichtes „An die Sittlichkeitsprediger in Köln am Rheine“ wegen „Beleidigung einiger Mitglieder eines Sittlichkeitsvereines“ zu sechs Wochen Haft verurteilt, die er in Stadelheim bei München absitzen musste.

Ehe mit Marion

1907 heiratete er die auf den Philippinen geborene Tänzerin Marietta di Rigardo, genannt Marion (1880–1966), eine für damalige Zeiten emanzipierte junge Frau. Die Ehe hielt nicht lange, zu verschieden waren die Temperamente der beiden. Marion langweilte sich zusehends, sie unternahm Seitensprünge. 1911 wurde die Ehe geschieden, die beiden blieben aber befreundet.

Am Tegernsee

1908 bezog er sein Haus „Auf der Tuften“ in Tegernsee. In diesem Jahr hatte sein Lustspiel Moral Premiere, das Werk wurde zu einem seiner größten Erfolge. In dem Stück ließ er einen Vertreter eines Sittlichkeitsvereins, der eine schlimme Verfehlung gegen die Grundsätze eines solchen Vereines begangen hatte, sagen: „Moralisch sein, das bringe ich in meinem Zimmer allein fertig, aber das hat keinen erzieherischen Wert. Die Hauptsache ist, dass man sich öffentlich zu moralischen Grundsätzen bekennt. Das wirkt günstig auf die Familie, auf den Staat.“ Im selben Stück macht der Vorsitzende dieses Sittlichkeitsvereins die Feststellung: „Herr Assessor, wenn in der Ehe die Lügen aufhören, dann geht sie auseinander.“

Im Ersten Weltkrieg

Thomas Einstellung war bis dahin eher linksliberal gewesen. So hatte er sich mit oftmals beißender Kritik an Gesellschaft, Kirche und Staat nicht zurückgehalten. Dies änderte sich mit Beginn des Ersten Weltkrieges. Der Simplicissimus wurde zunehmend zahnlos, und Thoma konnte und wollte sich der besonders unter den Intellektuellen herrschenden allgemeinen Kriegsbegeisterung nicht entziehen. Er meldete sich freiwillig als Sanitäter und zog 1915 mit einer bayerischen Division an die Ostfront nach Galizien. Dort erkrankte er schwer an der Ruhr und wurde felddienstuntauglich. Im besonders produktiven Jahr 1916 erschienen viele Werke. 1917 warb Thoma im „Miesbacher Anzeiger“ für das Zeichnen von Kriegsanleihen. „Unser Vaterland muß den Krieg durchführen bis zum siegreichen Ende“, hieß es im Oktober 1917 unter der Überschrift „Warum muß gerade der Bauer die Kriegsanleihe zeichnen?“ Im Juli 1917 schrieb er sich als Mitglied bei der Deutschen Vaterlandspartei ein, die für einen kompromisslosen Siegfrieden eintrat. Mehrmals trat er für die Vaterlandspartei als Redner auf, wie im Sommer 1917 im Münchner Löwenbräukeller.

Die sich abzeichnende Kriegsniederlage im November 1918 konnte er nicht verkraften. Er verstand die Welt nicht mehr und zog sich verbittert in sein Haus zurück.

Im Sommer 1918 begegnete er der aus der jüdischen Sekt-Dynastie Feist-Belmont stammenden, mittlerweile verheirateten Maidi Liebermann von Wahlendorf (1883–22. November 1971), mit der er schon 1904 einmal zusammengetroffen war. Thoma entbrannte in heftiger Liebe zu ihr und beklagte sein Schicksal, sie nicht schon damals zu seiner Frau genommen zu haben. Bis zu seinem Tod sollte er heftig um sie werben. Sie blieb ihm zwar verbunden, konnte sich jedoch nicht entschließen, ganz zu ihm zu ziehen, da der Ehemann Wilhelm Liebermann von Wahlendorf die Scheidung verweigerte.

Beiträge für den Miesbacher Anzeiger

Für den Miesbacher Anzeiger verfasste er in den letzten 14 Monaten seines Lebens 175 größtenteils (bis auf fünf Fälle) anonyme und meist antisemitische Hetzartikel, vor allem gegen die Regierung in Berlin und die Sozialdemokratie. Aber auch über das jüdische Bürgertum schrieb er beispielsweise: „Teiteles Cohn und Isidor Veigelduft, die dürfen im Sommer nach wie vor ihre verschnörkelten Haxen in die Lederbuxen stellen, am Arm ihre Rebekka im Dirndlg’wand, nach Veilchen und Knoblauch duftend.“ Er bezeichnete die Reichshauptstadt Berlin als „Entenpfuhl“ und eine „Mischung von galizischem Judennest und New Yorker Verbrecher-Viertel“, beschrieb in völkischem Vokabular eine „tiefgewurzelte, in der Rasse begründete, … Eigenart“ und beschimpfte die Weimarer Republik als „charakterlose Deppokratie“. Er nannte deren Vertreter „dieses traurige Saupack aus Tarnopol und Jaroslau“ und hob hervor, dass „wir außer dem Itzig von der Promenadenstraße noch etliche vom Stamme Levi abgeschossen haben …“ (in der Promenadenstraße wurde der bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner erschossen). Eisner selbst titulierte er als „Saujud“, seinen Tod bezeichnete er als „Hinrichtung“. Und den jüdischen Verleger Rudolf Mosse beschimpfte Thoma mit den Worten „Lausejunge mit dem Krauselhaar und deinen geschneckelten Fortbewegungsscheren“, Kurt Tucholsky verunglimpfte er als „kleinen galizischen Krüppel“.

Tod und Nachlass

Am 6. August unterzog sich Thoma in München einer Magen-Operation. Er starb am 26. August 1921 in seinem Haus in Tegernsee an Magenkrebs. Den größten Teil seines beträchtlichen Vermögens sowie seine Honorare und Tantiemen vermachte er Maidi Liebermann. Seine geschiedene Frau Marion, seine Schwestern Katharina Hübner und Bertha Zurwesten sowie sein Bruder Peter Thoma erhielten je eine Summe von zweihunderttausend Mark, letzterer zusätzlich eine lebenslange Rente von jährlich zweitausend Mark.

Ludwig Thoma fand auf dem Gemeindefriedhof von St. Laurentius in Rottach-Egern am Tegernsee seine letzte Ruhe. Seine Grabstätte liegt heute zwischen derjenigen seines langjährigen Freundes, des Schriftstellers Ludwig Ganghofer, und der seiner Geliebten Maidi Liebermann.

Bewertung

Ludwig Thoma bemühte sich in seinen Werken darum, die herrschende Scheinmoral bloß zu stellen. Ebenso prangerte er kompromisslos Schwäche und Dummheit des spießbürgerlichen Milieus und das chauvinistische Preußentum mit seinem Pickelhauben-Militarismus an. Er stieß sich auch am Provinzialismus und der klerikalen Politik seiner Zeit im Königreich Bayern, was sich beispielhaft in Jozef Filsers Briefwexel niederschlägt. Als brillant werden die mit Humor und Satire gewürzten Erzählungen oder Einakter aus dem bäuerlichen und kleinstädtischen Lebenskreis in Oberbayern angesehen. Die unsentimentalen Schilderungen agrarischen Lebens in den Romanen sind wohl deshalb besonders lebensnah gelungen, weil Thoma aus seiner Rechtsanwaltstätigkeit eine Fülle praxisnaher Einblicke in die Lebensumstände auf dem Lande gewinnen konnte. Die bayerische Mundart wird ähnlich prägnant wie bei Georg Queri wiedergegeben.

Aufgrund seiner Artikel im Miesbacher Anzeiger (1920–1921) wird Ludwig Thoma vorgeworfen, sich im Alter zum wütenden Antisemiten und zu einem Wegbereiter Hitlers entwickelt zu haben.

Der Jurist Otto Gritschneder hebt die sechswöchige Haft in München-Stadelheim (1906) und „die extrem antisemitischen und antidemokratischen ordinären Aufsätze Thomas aus seinen letzten Lebensjahren im Miesbacher Anzeiger“ als dunkle Stationen in Ludwig Thomas Leben hervor. Außerdem weist er darauf hin, dass Thoma seine Doktorarbeit nie abgeliefert habe, sich aber dennoch „Doktor Ludwig Thoma“ nannte und nennen ließ, was bei einem bezüglich seiner Mitmenschen so kritischen Autor erwähnt werden müsse.

Grundlagen für eine Einschätzung bietet die Biografie von Martin A. Klaus, der mehr als drei Jahrzehnte zu Thoma recherchierte. Sie bezieht die persönlichen Kindheitserlebnisse Ludwig Thomas und ihre psychologische Bedeutung ebenso mit ein wie die Fragen der Veränderung der politischen Ansichten des Autors in seinen späten Lebensjahren. Dabei ist der Autor davon überzeugt, dass Thoma über die Vermittlung des Schriftstellers Dietrich Eckart Adolf Hitler persönlich gekannt habe.

Ehrungen

Im oberbayerischen Raum genießt er noch heute eine hohe Popularität. So tragen beispielsweise Produkte wie das Ludwig-Thoma-Bier des Hofbrauhauses Berchtesgaden seinen Namen.

Die städtische Ludwig-Thoma-Realschule in München trägt seit ihrer Erbauung im Jahr 1973 seinen Namen. In Dachau gibt es eine Ludwig-Thoma-Schule (Volksschule). In Prien am Chiemsee gibt es das Ludwig-Thoma-Gymnasium in der ab 1876 von Thoma und seiner Mutter bewohnten Gaststätte. Auch in Traunstein gibt es die Ludwig-Thoma-Grundschule. Die Bahnstrecke Dachau-Altomünster ist auch als Ludwig-Thoma-Bahn bekannt.

Seine Büste steht in der Ruhmeshalle in München.

Die Stadt München hat zu seinen Ehren ab 1967 jährlich eine Ludwig-Thoma-Medaille verliehen, die Verleihung jedoch 1990 nach Bekanntwerden seiner nationalkonservativen Haltung, der antisemitischen Parolen und antisozialistischen Polemik eingestellt.

Werke

  • 1897: Agricola (Kurzgeschichten)
  • 1899: Die Witwen (Theaterstück)
  • 1901: Die Medaille (Theaterstück)
  • 1901: Assessor Karlchen (Kurzgeschichten)
  • 1902: Hochzeit – Eine Bauerngeschichte (Roman)
  • 1902: Die Lokalbahn (Theaterstück)
  • 1903: Das große Malöhr im Juni 1903
  • 1904: Der heilige Hies (Erzählung), illustriert von Ignatius Taschner
  • 1905: Lausbubengeschichten (Kurzgeschichten)
    • 1952: zusammen mit „Tante Frieda“ in einem Band mit 73 Zeichnungen von Olaf Gulbransson, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg.
  • 1906: Andreas Vöst (Roman)
  • 1906: Der Schusternazi
  • 1907: Tante Frieda (Kurzgeschichten)
  • 1907: Kleinstadtgeschichten (Kurzgeschichten)
  • 1909: Moral (Theaterstück)
  • 1909: Briefwechsel eines bayrischen Landtagsabgeordneten (Briefesammlung)
  • 1910: Erster Klasse (Theaterstück)
  • 1911: Der Wittiber (Roman)
  • 1911: Lottchens Geburtstag (Theaterstück)
  • 1911: Der Münchner im Himmel (Erzählung)
  • 1912: Magdalena (Theaterstück)
  • 1912: Jozef Filsers Briefwexel (Briefesammlung)
  • 1913: Die Sippe
  • 1913: Das Säuglingsheim
  • 1913: Nachbarsleute (Kurzgeschichten)
  • 1914: Der Postsekretär im Himmel und andere Geschichten (Kurzgeschichten)
  • 1916: Urlaubshitze
  • 1916: Die kleinen Verwandten (Theaterstück)
  • 1916: Brautschau (Theaterstück)
  • 1916: Dichters Ehrentag (Theaterstück)
  • 1916: Das Kälbchen
  • 1916: Der umgewendete Dichter
  • 1916: Onkel Peppi
  • 1916: Heimkehr
  • 1916: Das Aquarium und anderes
  • 1917: Heilige Nacht (Versepos)
  • 1918: Altaich (Erzählung)
  • 1919: Münchnerinnen
  • 1919: Erinnerungen (Autobiografie)
  • 1921: Der Jagerloisl (Roman)
  • 1921: Der Ruepp (Roman)
  • 1921: Kaspar Lorinser (Roman, Fragment)
  • 1923: Leute, die ich kannte (postum erschienen)

Verfilmungen

Die Werke von Ludwig Thoma wurden regelmäßig verfilmt, insbesondere für das deutsche Fernsehen.

  • 1928: Moral (Kinofilm, Regie: Willi Wolff)
  • 1939: Der arme Millionär (Kinofilm, Regie: Joe Stöckel), Verfilmung von „Der Schusternazi“
  • 1949: Münchnerinnen (Kinofilm nach dem gleichnamigen Roman, Regie: Philipp Lothar Mayring)
  • 1958: Moral (Fernsehfilm, Regie: Rainer Wolffhardt)
  • 1964–1969: Lausbubengeschichten (Kinofilmreihe mit Hansi Kraus als Ludwig Thoma)
  • 1970: Ein Münchner im Himmel (Zeichentrickfilm von Traudl Reiner & Walter Reiner, Erzähler: Adolf Gondrell)
  • 1977: Der Wittiber (Regie: Franz Peter Wirth)
  • 1979: Der Ruepp (Fernsehfilm, Produktion: BR, Regie: Kurt Wilhelm)
  • 1983: Hochzeit (zweiteiliger Fernsehfilm, Regie: Kurt Wilhelm)

Hörspiele

  • Einakter mit Franz Fröhlich, Thea Aichbichler, Albert Spenger, Michl Lang u. a. Regie: Olf Fischer. Live-Produktionen: Bayerischer Rundfunk.
    • 1953: Gelähmte Schwingen. BR 1953. Als Podcast/Download im BR Hörspiel Pool.
    • 1953: Die Dachserin. BR 1953. Als Podcast/Download im BR Hörspiel Pool.
    • 1955: Waldfrieden. BR 1955. Als Podcast/Download im BR Hörspiel Pool.
    • 1955: Erster Klasse. BR 1955. Als Podcast/Download im BR Hörspiel Pool.
    • 1956: Die Brautschau. BR 1956. Als Podcast/Download im BR Hörspiel Pool.
  • 1973: Der Ruepp. Mit Willy Rösner, Carl Wery, Liane Kopf, Toni Strassmair, Justin Lauterbach, Eva Vaitl, Franz Fröhlich, Ursula Erber, Elise Aulinger, Hans Baur, Fritz Straßner, Albert Spenger, Jakob Roider, Walter Holten, Ludwig Schmid-Wildy, Alfred Pongratz u. a. Bearbeitung: Edmund Steinberger, Regie: Hermann Wenninger. Produktion: BR 1973
  • 1977: Altaich. Mit Edmund Steinberger, Max Griesser, Ralf Wolter, Ursula Noack, Rosemarie Fendel, Peter Steiner, Erni Singerl, Maria Stadler u. a. Komposition: Walter Kabel, Regie: Edmund Steinberger, Produktion: BR 1977.

Bekannte Figuren

  • Josef Filser
  • Alois Hingerl (Der Münchner im Himmel)

Literatur

  • Fritz Heinle: Ludwig Thoma in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, Reinbek 1963
  • Roland Ziersch: Ludwig Thoma. Stieglitz Händle, Mühlacker 1964
  • Gerd Thumser: Ludwig Thoma und seine Welt. Desch, München 1966
  • Peter Haage: Ludwig Thoma, Bürgerschreck und Volksschriftsteller. Heyne, München 1975
  • Richard Lemp: Ludwig Thoma, Bilder, Dokumente, Materialien zu Leben und Werk. Süddeutscher Verlag, 1984
  • Wilhelm Volkert: Ludwig Thoma: Sämtliche Beiträge aus dem „Miesbacher Anzeiger“ 1920/21. Kritisch ediert und kommentiert von Wilhelm Volkert. Piper, München 1989
  • Reinhard Baumann: Thoma, Ludwig. In: Walther Killy (Hrsg.): Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. Band 11, Gütersloh, München 1991, S. 338 f.
  • Otto Gritschneder: Angeklagter Ludwig Thoma. Mosaiksteine zu einer Biographie aus unveröffentlichten Akten. 2. Auflage. Beck, München 1992, ISBN 3-406-36764-X.
  • Günter Helmes: „Ick bin so frei und rede … weil ick och so frei bin und … und zahle“. Ludwig Thomas „Gelähmte Schwingen“ (1916) im Fernsehen der DDR und der BRD. In: Steffi Schültzke (Hrsg.): Das heitere Lehrstück? Ausgewählte Analysen zum „Fernsehtheater Moritzburg“. Leipzig 2006, S. 75–106. ISBN 3-86583-021-8.
  • Wolfgang Benz: Thoma, Ludwig, in: Handbuch des Antisemitismus, Band 2/2, 2009, S. 828 f.
  • Jürgen Seul: Ludwig Thoma für Juristen (Satire & Recht. Band 1). Medien und Recht, München 2010, ISBN 978-3-939438-10-6.
  • Frank Sommer: Bürgertumskritik und Antisemitismus im Werk von Ludwig Thoma. Vom Satiriker zum Wegbereiter des Nationalsozialismus. Müller, Saarbrücken 2010, ISBN 978-3-639-22448-1.
  • Gertrud Maria Rösch: Ludwig Thoma, Der zornige Literat. Kleine bayerische Biografien. Pustet, Regensburg, 2012, ISBN 978-3-7917-2445-4.
  • Martha Schad: Weiberheld und Weiberfeind. Ludwig Thoma und die Frauen. Allitera Verlag, München 2016, ISBN 978-3-86906-890-9
  • Martin A. Klaus: Ludwig Thoma: ein erdichtetes Leben, München: dtv Verlagsgesellschaft (2016), ISBN 978-3-423-28103-4

Weblinks

  • Literatur von und über Ludwig Thoma im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Werke von und über Ludwig Thoma in der Deutschen Digitalen Bibliothek
  • Ludwig Thoma im Literaturportal Bayern (Projekt der Bayerischen Staatsbibliothek)
  • Werke von Ludwig Thoma im Project Gutenberg (für Nutzer aus Deutschland derzeit i.d.R. nicht abrufbar)
  • Werke von Ludwig Thoma im Projekt Gutenberg-DE
  • Werke von Ludwig Thoma bei Zeno.org.
  • Einakter: Die Brautschau, Die Dachserin, Erster Klasse, Gelähmte Schwingen BR, Hörspielpool (5./6. 2010)
  • Spiegel-Artikel über Thomas „antisemitische Hetztiraden“, Der Spiegel, 21. August 1989

Einzelnachweise

Verknüpfte Objekte


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