Kategorien Prof. Dr. Sabine Giesbrecht ➔ 02. Lieder und ihr Umfeld


Beschreibung


Bildkarten mit bekannten Volksliedern (2.1) sind gern gekaufte Objekte, die zu verschiedenen Gelegenheiten verschickt werden. Wie das traditionelle Liedrepertoire ausgesehen hat, kann, wenn auch nicht vollständig, der Bildserie 2.1.1 entnommen werden, die dem Malers Paul Hey (1867-1952) gewidmet und hauptsächlich zwischen 1916 und 1926 gelaufen ist. Eine weitere Abteilung mit Bildern dieses Malers ist unter dem Schlagwort Unsere Feldgrauen (2.1.1.1) veröffentlicht. Leider enthalten die beiden hier vorliegenden Rubriken nur einen Teil der oft als Feldpost verschickten Paul-Hey-Karten, die in ihrer überwiegenden Zahl vom Verein für das Deutschtum im Ausland herausgegeben worden sind. 

Dieser Verein ist 1908 aus dem Deutschen Schulverein hervorgegangen; typisch für seine Produktionen sind Abbildungen, deren nationale Symbolik ins Auge fällt (2.1.2). Bildkarten dieser Provenienz machen Propaganda für nationales Engagement, wollen deutschsprachige Minderheiten ideologisch aufrüsten und diese mit deutschem Liedgut ausstatten. Der Deutsche Schulverein wird bereits 1880 in Wien und 1881 in Berlin gegründet und ist nach eigenem Selbstverständnis darum bemüht, Volksgenossen in den unerlösten Gebieten sowie den Schulen im bedrohten Land (siehe Legenden) zu helfen. Der Bund der Deutschen in Böhmen oder der Bund der Deutschen in Niederösterreich und andere verfolgen ähnliche Ideen. Alle diese Vereine produzieren Liedkarten (2.1.2.1), die äußerst dekorativ gestaltet und vielfach mit Notenzitaten unterlegt sind. Bei der Bildmotivik wird Wert auf die Darstellung emotionaler Beziehungen und traditioneller Denkweisen gelegt (vgl. auch 12.2.2, Erinnerung an die Befreiungskriege). 
Der Maler Hans Baluschek (1870-1935) ist mit seinen Volksliedillustrationen (2.1.2.2) auf Wohlfahrtskarten der Deutschen Kolonial-Kriegerspende vertreten.

In bestimmten Gebieten Deutschlands sind regionale Lieder entstanden, die auch im Interesse des Tourismus vermarktet und auf Postkarten verbreitet werden. Für die Herausbildung heimatlicher oder nationaler Gefühle spielen sie eine Rolle (2.2). So werben z. B. Bildpostkarten aus der Region an der Porta Westfalica (2.2.1) sowohl mit dem Weserlied als auch mit dem monumentalen Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Der Rhein ist besonders zur Zeit des Ersten Weltkrieges ein beliebtes Bildkarten-Motiv (2.2.2). Attraktionen wie die Loreley (2.2.2.1), Schloß Stolzenfels mit dem Abschiedslied Ein Grenadier am Dorfplatz stand (2.2.2.2) oder die symbolische Wacht am Rhein (2.2.2.3), dargestellt als Germania des Niederwalddenkmals (2.2.2.4) sichern die Produktion rheinischer Ansichtskarten bis zum heutigen Tag. 

Auch Städte prägen sich durch den Versand einschlägiger Bildpostkarten im öffentlichen Bewußtsein ein. Die alte Universitätsstadt Heidelberg (2.2.3) z. B. wird ausgiebig und liebevoll besungen, unter anderem mit Fred Raymonds Lied Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren. Bier trinkende Studentinnen des Jahres 1908, mit Schmiß, sowie muntere Kinder, ebenfalls trinkend und Kommerslieder singend, bilden die Gruppe mit dem ironisch gemeinten Titel Neu-Heidelberg (2.2.3.1), während Rituale und männliche Verhaltensweisen in Liedern und Szenen aus dem Studentenleben zusammengefaßt sind (2.2.3.2).Victor von Scheffel (1826-1886) trägt, wie Kommersbuchausgaben belegen, bis heute mit seinen Gedichten aus dem akademischen Burschenleben zum Ruf Heidelbergs bei (2.2.3.3). Sein Trompeter von Säckingen ging in das Libretto der gleichnamigen Oper von Victor Nessler aus dem Jahr 1884 ein, deren Lied Behüt dich Gott seinerzeit zum Schlager geworden ist. 

Bilder der Stadt Osnabrück sind unter 2.4.4 aus Gründen des Lokalpatriotismus aufgenommen.

Die unterhaltende Lied-Branche präsentiert sich mit Großstadtliedern oder Gedichten (2.3). Eine eigene Kategorie bilden herzzerreißende Schicksalsserien, z. B. vom Bergmanns- und Heide-Kind oder vom Elterngrab (2.3.1). In großer Zahl erscheinen in der Vorkriegszeit einzelne Nummern oder ganze Bildserien aus bekannten Bühnenwerken, meist aus Operette oder Revue, manchmal auch aus populären Opern (2.3.2). Eine der prominentesten Operetten aus dem Jahr 1905, Die lustige Witwe von Franz Lehár (2.3.2.1) ist besonders häufig abgebildet. Ebenso beliebt ist die elegische Mignon (2.3.2.2), die sich durch Goethes Gedichte oder die gleichnamige Oper von Ambroise Thomas (1866) als Symbolfigur der Fremdheit schlechthin etabliert.

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