Beschreibung
Damenkapellen waren eine Modeerscheinung und Teil einer bestimmten Art von Unterhaltungskultur, die im auslaufenden 19.Jahrhundert insbesondere in den Städten verstärkt in Erscheinung trat. Wie die Bildpostkarten zeigen, wirkten in den Damenkapellen nicht nur Frauen, sondern in der Regel auch einige Männer mit. Häufig, aber nicht immer, übernahmen diese die organisatorische Leitung und zugleich auch die Aufgabe des Pianisten, der die jeweilige Musikgruppe zusammenhielt.
Die Mitglieder solcher Ensembles waren ursprünglich Wandermusikanten und stammten vielfach aus Musikerfamilien und einem eher kleinbürgerlichen Milieu. Dazu gezwungen, zum Familieneinkommen beizutragen, begriffen sie den Erwerb musikalischer Fertigkeiten als Voraussetzung für ihren Beruf und wählten jene Instrumente, die für die bürgerliche Musikausübung von Frauen unüblich, für öffentliche Auftritte in einer Damenkapelle jedoch erfolgversprechend waren: Trompete, Posaune, Schlagzeug sowie Cello, Gitarre u.a. Eine fremdartige Kostümierung (siehe
4_1-004g,
-006,
-008 u.a.) oder exotische Herkunft der Kapellen haben offenbar das öffentliche Interesse in besonderem Maße erregt, wie insbesondere das Auftreten verschiedener Tamburitza-Gruppen mit ihren Lauteninstrumenten vom Balkan zeigt (siehe
4_1-026,
-033m,
-046,
-046m u.ö.).
Erlasse zur Gewerbefreiheit (1869) begünstigten die Entstehung zahlreicher neuer Unterhaltungsetablissements mit z.T. professioneller Programmplanung, deren Inhaber reisende Instrumentalistinnen für eine bestimme Zeit engagierten und den Begriff „Damenkapelle“ als Werbemittel benutzten. Die Musikerinnen waren in Musikhallen, Tanzlokalen, Cafés, Hotels oder Konzerthäusern mit Gastronomiebetrieb zu hören. Ihr Repertoire setzte sich meist aus Märschen Ouvertüren, Tänzen, Opern- und Operettenschlagern oder anderen geeigneten Musikformen zusammen. Für das überwiegend männliche Publikum der genannten Vergnügungsstätten waren die Musikerinnen auf der Bühne eine Attraktion, zumal das Animieren der Gäste zum Verzehr von Speisen und Getränken häufig zu den zusätzlichen Aufgaben der Frauen gehörte.
Neben Soubretten, Tänzerinnen, Akrobatinnen oder Dompteusen u.a. konnten sich die verschiedenartigen Damenensembles gut behaupten Der Fachzeitschrift für Unterhaltungskultur „Der Artist“ zufolge endete die Blütezeit der Damenkapellen mit dem Ersten Weltkrieg. Danach nahm ihre Zahl drastisch ab.
(Dorothea Kaufmann)
Literatur: Dorothea Kaufmann: „...routinierte Trommlerin gesucht“.. Musikerin in einer Damenkapelle. Zum Bild eines vergessenen Frauenberufes aus der Kaiserzeit, Karben 1997, zu beziehen über die Autorin selbst.