Verehrung
Welche Wertschätzung Beethoven in der Zeit des Deutschen Kaiserreiches genoss, beschreibt die Musikschriftstellerin La Mara, alias Marie Lipsius:
"Und welch' ein Vermächtnis hinterließ uns der Meister [...]! Wo begegnen wir einem gigantischeren Künstlertagewerk als dem seinen? Zu höchsten Höhen führte er seine Kunst, der Vollender der erhabensten Formen, die das Gebiet der Töne umfaßt. Die kirchliche und die dramatische, die Orchester-, die Kammer- und die Vocalmusik haben keine höheren Muster ihrer Gattung aufzuweisen als die, welche seine Meisterhand gebildet. Noch keinem Sterblichen ward es gegeben, in erschütternderer Sprache zu unserm Herzen zu reden. Keinem, von Freude und Schmerz in verklärteren Hymnen zu singen; keinem hinabsteigend in die Tiefen der Menschenbrust, die unaussprechlichsten Geheimnisse derselben, ihr heiligstes Empfinden also zu künden. So erlauchte Namen auch die Geschichte der Tonkunst vor und nach ihm nennt, es ist keiner unter ihnen allen, der hinanreichte an seinen Glanz, seine Hoheit, keiner, der sich nicht demuthsvoll neigen müßte vor seiner Universalität. [...] Beethoven aber umfaßte, wie gleich ihm nur Mozart, das All der Töne: er gab uns in j e d e r Richtung Vollkommenstes. Vollkommeneres auch als jener, weil sein Geist gewaltiger, weitschauender angelegt, seine Seele mehr erfüllt war von heiligem Ernst, erhabenem Kampfesmuth und weltverachtender Resignation, die ihn ganz Künstler sein und seines Menschseins nahezu vergessen ließ."1
Überschwänglich fällt auch die visuelle Beethoven-Verehrung auf Bildpostkarten aus. Sie äußert sich nicht nur in ungewöhnlich zahlreichen Porträts, sondern auch in Darstellungen von Denkmälern, Büsten und Porträtplastiken. Beliebt waren offenbar Beethoven-Masken, die es in verschiedenen Größen gab. Sie zieren häufig die Wände bürgerlicher Salons oder diverser Erinnerungsstätten. Manchmal ist die Stirn des Meisters dabei mit Lorbeer geschmückt. So fungieren diese Abbildungen als Kultbilder im Kleinformat, die auf ihre Art ebenfalls dazu beitragen, Beethoven mehr als andere Tonkünstler zur Ausnahmeerscheinung zu stilisieren.
1 La Mara: Ludwig van Beethoven. Musikalische Studienköpfe. Vierter Band: Classiker, Leipzig 1880, S. 321f.
Weitere Abteilungen der Ausstellung
1. Porträts 2. Verehrung 3. Masken 4. Weltflucht 5. Bei der Arbeit 6. Werkbilder
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