Bei der Arbeit
Wo er ging und stand soll Beethoven an seinen Partituren geschrieben haben. Er komponierte, wie man zu wissen glaubte, "... am Nachmittag und Abend, ja zuweilen bis tief in die Nacht hinein, er skizzierte nicht nur in seinem Heim, sondern auch auf Spaziergängen, manchmal sogar im Wirts- und Kaffeehaus."1
Seine Disziplin und seine Arbeitshaltung galten nicht zuletzt auch als Vorbild für die Jugend. Wiederum ist es die "Musikalische Jugendpost" des Jahres 1889, die anerkennend schreibt:
"Winter und Sommer stand er vor Tagesanbruch auf und setzte sich sogleich an die Arbeit, bei der er nur nebenbei sein Frühstück einnahm, und er widmete sich ihr bis zur Zeit seines Mittagessens um zwei oder drei Uhr. Wollte dieselbe nicht gelingen, griff er nach seinem Hute und eilte hinaus ins Freie, auf möglichst einsame Wege. Dabei arbeitete er stets in Gedanken fort; ob Sturm und Regen ihm durch Kleider und Haare sausten, ob die Sonne glühend auf ihn niederbrannte, er fühlte es kaum und ließ sich niemals davon beeinflussen. Häufig setzte er sich dann unter einen Baum und zeichnete in seine Notizbücher, die er immer bei sich trug, die ersten Entwürfe seiner großartigsten Schöpfungen auf."2
Berichte dieser Art tragen dazu bei, das Image eines von seiner Kunst Getriebenen zu verbreiten, einem unablässig denkenden und arbeitenden Menschen, dem deutsche Bürger schon deshalb ihren Respekt nicht versagen können. Bildpostkarten bestärken Käufer und Sammler in der Auffassung, dass höchste Kunst von originellen Eingebungen lebt, die Schaffung einer bedeutenden Partitur jedoch vor allem Fleiß und bedeutende intellektuelle Anstrengungen erfordert. Davon zeugen Bildpostkarten, die den Akt des Schreibens, des Komponierens oder die Bereitschaft Beethovens zum Empfang neuer musikalischer Ideen wiedergeben und ihn zum Beispiel gern mit Notenblättern oder schreibend, mit einer angefangenen Partitur, mit einem Notizheft oder einem Schreibgerät darstellen. Für die Arbeitshaltung ist unter anderem das Porträt von Stieler charakteristisch, das den Meister vor der Partitur der "Missa solemnis" zeigt. Auf anderen Abbildungen lässt man ihn mit Konzeptpapier in der Hand im Freien lustwandeln, Halt unter einem Baum suchen und in sich gekehrt nach neuen musikalischen Gedanken forschen, oder man verlegt den Vorgang des Komponierens in einen Innenraum, wo der Meister sich nachdenklich oder angestrengt über eine Partitur beugt. Ein Klavier zum Komponieren ist nicht immer nötig. Ist es jedoch vorhanden, so dient es dazu, die Spielhaltung Beethovens oder die Haltung der Hände hervorzuheben, wobei der Blick des Komponierenden nachdenklich nach unten oder suchend in die Ferne gerichtet ist. In diesem Fall ist der Akt des Schreibens visuell ausgespart. Dafür deuten großformatige Hintergrundbilder an, womit der Komponist gerade beschäftigt ist. Deren Deutung gibt dem Betrachter manchmal Rätsel auf. Da tauchen zum Beispiel seltsam verschwommene Gestalten aus grauen schlierigen Nebelschwaden auf, ein anderes Mal vermeint man konkrete Figuren zu erkennen, die in losem Zusammenhang mit einem der Werke Beethovens stehen könnten. Mit solchen geheimnisvollen Fantasiebildern wird offenbar versucht, dem Ursprung von Beethovens Kreativität visuell auf die Spur zu kommen.
1 Arnold Schmitz: Beethoven, Bonn 1927, S. 45.
2 Musikalische Jugendpost, Stuttgart [1888]. Jg. 3, Anhang von Nr. 24 (1889, Jg. 4, Nr. 1, S. 85).
Weitere Abteilungen der Ausstellung
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