Porträts
Porträtkarten entstanden entweder nach Vorlagen von Gemälden, die noch zu Lebzeiten Beethovens verfertigt wurden und charakteristische Züge des Meisters festzuhalten suchen. Oder es sind später hergestellte Beispiele für die Fantasien einiger Maler darüber, wie ein einsames, mit Taubheit geschlagenes Genie ausgesehen haben könnte. Aktuellem Archivstand nach gibt es von keinem anderen Komponisten derartig viele und unterschiedliche Bildpostkarten mit Porträts oder Abbildungen der Person. Einerseits wollte man wissen, wie er "wirklich" ausgesehen hat, andererseits aber ging es den Malern darum, eigene Vorstellungen von einem genialen Künstler in Bildern festzuhalten.
Anton Schindler, der erste Biograf Beethovens, plädiert für lebensnahe Abbilder und erläutert seinen Lesern, was aus seiner Sicht ein gutes Porträt auszeichne: "Der physiognomische Ausdruck des Porträts, besonders des gemalten, soll nicht bloß die Ähnlichkeit getreu wiedergeben, auch die Bedeutung der Person soll er durch das Geistige dem (sic) Beschauer leicht erraten lassen. Diese Anforderungen machen es den Herausgebern zur Pflicht, nur solche in die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, welche in jedem Betrachte entsprechen..."1
Wie man sich "das Geistige" in Gesicht und Gestalt des Komponisten vorgestellt hat und welche Züge als typisch gegolten haben, zeigt die kleine Auswahl der Porträts. In jedem Fall spielen die breiten Wangenknochen, die heruntergezogenen Mundwinkel, die hohe Stirn und vor allem die wilden Haare eine Rolle, die Schindler zufolge als eines seiner "eigentümlichsten Merkmale" zu gelten haben (S. 534). Der "Löwenkopf" und die von wirren Locken umwallte gewaltige Stirn sowie dunkle, düster leuchtende Augen sind von nun an Kennzeichen für diesen kraftvollen Künstler. So sieht "kein gewöhnliches Menschenkind" aus, heißt es in einer Jugendzeitschrift aus dem Jahr 1888.2
Da der Komponist häufiger im Halb- oder Dreiviertelprofil abgebildet ist, fallen Gemälde in Frontalansicht auf. Sie erlauben dem Maler, die charakteristischen Umrisse des Gesichts als Projektionsfläche zu benutzen, vielleicht ein Detail des Kopfes visuell herauszuheben oder die Gesichtsfläche mit Fantasiegestalten auszufüllen. Der jeweils fremde, von außen kommende Blick des Malers ermöglicht neue Deutungsmuster bezüglich seines Charakters, seines Leidens und seines Schaffens.
Orientierung über das reale Aussehen des Meisters liefert die im Jahr 1812 vom Bildhauer Franz Klein hergestellte Gesichtsmaske, die manchen Porträts erkennbar als Vorlage gedient hat.
1 Anton Schindler: Beethovens Bildnisse. In: Biographie von Ludwig van Beethoven, Leipzig 1988, S. 533-542, hier S. 533.
2 Musikalische Jugendpost, Stuttgart [1888]. Jg. 3, Anhang von Nr. 24 (1889, Jg. 4, Nr. 1, S. 79).
Weitere Abteilungen der Ausstellung
1. Porträts 2. Verehrung 3. Masken 4. Weltflucht 5. Bei der Arbeit 6. Werkbilder
7. Werk und Wirkung 8. Tourismus
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