Kategorien Prof. Dr. Sabine Giesbrecht ➔ 02. Lieder und ihr Umfeld ➔ 2.2 Verschiedene Regionen ➔ 2.2.2 Der Rhein ➔ 2.2.2.1 Die Loreley


Beschreibung


Die Loreley ist ein 132 m hoher Felsen nahe St. Goarshausen, der weit in den Rhein hineinragt (2_2_2_1-003, -027). Ausflugsdampfer befördern Touristen (2_2_2_1-032), die in der Regel nicht nur von dem steilen Felsen, sondern auch von den Erzählungen und Legenden um die schöne Loreley angezogen werden. Der Felsen mit dieser Frauengestalt dient z.B. auf einer Postkarte als Kulisse für weinselige Rheinromantik (2_2_2_1-016). Das 1838 von Friedrich Silcher vertonte Gedicht Heinrich Heines hat in besonderem Maße zur touristischen Attraktivität des Ortes und damit zur Produktion zahlreicher Bildkarten mit dem Loreley-Motiv beigetragen. 

Was alter Sagenwelt zu entstammen scheint, ist eine Erfindung des Dichters Clemens Brentano. Er verwob in der Ballade von der „Lore Lay“ den antiken Mythos der Nymphe Echo, die aus Liebeskummer zu Stein wird, mit dem Motiv des „Lurley“ (Elfenstein) genannten Felsens, der für sein vielfaches Echo berühmt war. Bei Brentano stürzt sich die Liebeszauberin vom Felsen in den Tod, als sie wahnhaft meint, in einem Schiffer ihren ungetreuen Geliebten zu erkennen.

In seinem „Rheinmärchen“ nimmt Brentano das Motiv noch einmal auf, kehrt jedoch die Blickrichtung um: Jetzt sind es die Schiffer, die im Strudel umkommen, weil sie den Blick nicht von der blonden Schönheit auf dem Felsen abwenden können.
Heine übernimmt dieses Bild; bei ihm erscheint die Gestalt der Loreley eingebettet in die Rheinlandschaft und eine melancholische Abendstimmung (2_2_2_1-019, -020, -031). Dem berühmten Gedicht nach geht von der „schönsten Jungfrau“ und ihrem wundersamen Gesang ein unerklärlicher Zauber aus, wodurch sie zur Schwester der Sirenen wird, die mit ihrem Singen vorbeifahrenden Schiffern ebenfalls den Tod bringen (2_2_2_1-011, -022).

Auf mehreren Abbildungen erscheint die Loreley als „femme fatale“ und nicht selten dargestellt aus einer voyeurhaften männlichen Perspektive, wie sie mit wehendem Haar und durchsichtigem Gewand die Vorbeifahrenden in den Tod lockt (2_2_2_1-001, -030, -037). Ältere Bildkarten scheinen die Brentano-Vorlage zu bevorzugen, bei der sie eher in sich gekehrt und traurig wirkt (2_2_2_1-006, -015). Auf manchen Bildern geht der Zusammenhang mit der Legende nahezu verloren, und ein im Fotostudio abgelichtetes langhaariges Mädchen posiert als Loreley (2_2_2_1-023, -024).

Eine eigene Gruppe bilden die Karikaturen oder Humorkarten mit der Loreley. So wird z.B. aus der Zauberin eine moderne Frau, die mit abgeschnittenem Zopf oder Bubikopf den Märchenballast abwirft (2_2_2_1-017, -021), oder sie lässt sich gar nicht blicken angesichts draller Betrachterinnen, die dem Zille-Milieu zu entstammen scheinen (2_2_2_1-033). Ein anderes Mal verwandelt sich die vormals Schöne in eine untersetzte Jungfer mit groben Gesichtszügen, die den geschockten Schiffer in die Flucht treibt, statt ihn zu betören (2_2_2_1-025). Damit niemand zu Schaden kommt, regelt zuweilen auch ein Polizist den Schiffsverkehr und leitet ihn an der gefährlichen Stelle vorbei (2_2_2_1-012).

Auffällig ist, dass die Loreley - der literarischen Vorlage nach eigentlich eine Sängerin - oft mit einer Lyra oder einer Harfe abgebildet ist.
(Sabine Giesbrecht)

Literatur:

Peter Lentvojt: Die Loreley in ihrer Landschaft. Romantische Dichtungsallegorie und Klischee. Frankfurt a.M., 1998.

Sabine Giesbrecht: Die Loreley einst und jetzt. In: Musikunterricht heute. Beiträge zur Praxis und Theorie, Bd. 3, hg. v. Peter Börs u. Volker Schütz, Oldershausen, 1999, S. 83-97.

Zu den Karten