Beschreibung
Im 19. Jahrhundert war die »Verbindung« die typische Organisationsform von Studenten. Zweck dieser Gemeinschaften war die gegenseitige Unterstützung in fremder Umgebung, Geselligkeit und Hilfe bei Streitigkeiten. Man unterscheidet farbentragende und nichtfarbentragende sowie schlagende und nichtschlagende Verbindungen. Den ältesten Verbindungstyp mit Fechtprinzip repräsentieren die Corps. Sie erlangten nach der Gründung des Deutschen Reiches die führende Position unter den Studentenverbindungen. Der Corpsstudent wurde – ähnlich dem preußischen Offizier – zum Idealbild des jungen Mannes (
2_2_3_2-002,
-017). Weitere Verbindungstypen waren: die Landsmannschaften, die national gesinnten Burschenschaften, die Turnerschaften und Sängerschaften (vgl.
4_5-070ff., Sondershäuser Verband), der nichtschlagende christlich orientierte Wingolfsbund u. a.
Das Verbindungsmitglied bleibt seiner Verbindung lebenslang verpflichtet (»Lebensbundprinzip«). Deshalb müssen neu aufgenommene Studenten zunächst als »Fuchs« eine Art Probezeit durchlaufen, während derer sie in die Traditionen und Gebräuche der Verbindung eingeführt werden. Zu den Traditionen gehört u. a. das Farbentragen (»Couleur«); wichtigste Bestandteile sind das um die Brust getragene Band und die Mütze, die als Kennzeichen der Verbindung dienen. Wenn sich der Fuchs auch im Umgang mit seinen Corpsbrüdern und im Fechten bewährt hat, wird er als »Bursche« endgültig aufgenommen. Als »Aktiver« muss er bestimmte Ämter übernehmen und an allen Veranstaltungen teilnehmen. Nach drei bis vier Semestern wird ein Bursche »inaktiv«, d. h. von den meisten Pflichten befreit. Nach dem Studium ist ein Verbindungsmitglied gehalten, als »Alter Herr« die selbst erfahrene Unterstützung in Form von Spenden oder durch berufliche Förderung an die junge Generation zurückzugeben.
Das Fechten war zur Kaiserzeit Teil der akademischen Ausbildung wie Tanzen und Reiten und wurde nicht nur von Verbindungsstudenten ausgeübt. Während Duelle mit tödlichen Waffen gesetzlich verboten waren, wurde das Fechten innerhalb der Verbindungshäuser geduldet. Während seiner aktiven Zeit hatte der Student täglich den Fechtunterricht zu besuchen und mehrere »Mensuren« mit einem Angehörigen einer fremden Verbindung zu schlagen. Dabei wird eine Schutzkleidung getragen, die nur Teile von Kopf und Gesicht frei lässt (
2_2_3_2-006). Die bei Verletzung entstehenden »Schmisse« waren zum Teil durchaus gewollt und wurden stolz als Zeichen der Standhaftigkeit zur Schau getragen, wie die ironische Darstellung von
Georg Mühlberg (1863–1925) zeigt (
2_2_3_2-010).
Eine ganz anders geartete Pflichtveranstaltung ist die »Kneipe«, auf der bei viel Bier unter anderem nach bestimmten Regeln Reden gehalten und Studentenlieder gesungen werden. Auch bei diesem Anlass wird Couleur getragen (
2_2_3_2-007). Gesungen wird aus dem mit »Biernägeln« versehenen »Kommersbuch«; Themen der Lieder sind Feiern, Trinken, Wandern, Liebesfreud und -leid, aber auch Heimat und Vaterland. Zu den bekanntesten Kommersliedern gehören »Gaudeamus igitur« und »O alte Burschenherrlichkeit« (
2_2_3_2-016,
-18, -
019,
-027). Lateinischer Text stellt die akademische Bildung heraus.
Dass vielfach das Studentenleben auch ein Synonym für jugendliche Freude und Unbeschwertheit ist, zeigen die Darstellungen von Ausflügen in Natur und Biergärten (
2_2_3_2-012,
-012a,
-015) und Annäherungen an das schöne Geschlecht (
2_2_3_2-013,
-014,
-018 bis
-020). Ironische Darstellungen
(2_2_3_2-003,
-010,
-022 bis -
024) finden sich auch in den Abbildungen der Rubrik »Neu-Heidelberg« (
2.2.3.1), wo mit Rauchen, Trinken und Mensurverletzungen gern alle Stereotypen des Verbindungslebens zugleich präsentiert werden.
(Friederike Ramm)
Literatur: Martin Biastoch: Duell und Mensur im Kaiserreich, Vierow 1995; Allgemeines Deutsches Kommersbuch, 167. Auflage, Lahr 1970.